Mit dem Teufel im Bunde
Stuckatormeister, sah den davonschlendernden Damen und Herren nach, nicht unfreundlich, nur müde.
«Soll ich jetzt das Wasser für den Gips holen?», hörte Rosina den Jüngeren fragen, den Gehilfen.
Der andere schüttelte den Kopf. «Noch nicht, Henrik, noch lange nicht. Die schadhaften Stellen sind noch nicht gründlich genug gelöst und sauber ausgekratzt, ohne das können wir noch so schönen Stuckmarmorteig kneten und einpassen – er wird nur wieder abfallen. Sieh her.»
Er war ein geduldiger Mann und sein Gehilfe – längst im Alter eines erfahrenen Gesellen – ohne die einfachsten Kenntnisse des Metiers. Rosina hatte nur ein wenig Zeit vertrödeln wollen, jetzt war sie neugierig.
Der Meister nahm einen stumpfen Stichel und eine gedrungene kurze Holzstange vom Tisch, stieg wieder auf das Podest und sah auffordernd auf seinen Gehilfen hinunter. Doch der folgte ihm nicht. Der junge Mann, den er Henrik genannt hatte, schützte mit der Rechten die Augen gegen einen Lichtstrahl, der durch das hohe Fenster hinter der südlichen Empore hereinfiel, und blinzelte in den Dämmer darunter. Der Meister folgte seinem Blick und stieg vom Podest, während Henrik sich vor jemandem, den Rosina nicht sehen konnte, tief verbeugte, auf eine Weise, die sie von der Bühne kannte. Oder von der Gesellschaft in dem kleinen Herzogtum, in dem sie mit der Becker’schen Gesellschaft einmal gastiert hatte.
War sie eben neugierig gewesen? Jetzt war sie
sehr
neugierig. Wen begrüßte er so? Derart ehrerbietige Verbeugungen waren in dieser Stadt außerhalb der Gesandtschaften der von gekrönten Häuptern regierten Länder selten. Und verstand sich ein Handwerksgeselle auf eine so elegante Bewegung wie dieser junge Mann im groben Hemd?
Ein hochgewachsener Mann trat halb hinter der Säule hervor. Magnus, durchfuhr es Rosina, das ist Magnus. Es war nicht Magnus, natürlich nicht, auch wenn sie das Gesicht nur vage erkennen konnte. Er wäre auch zuerst zu ihr gekommen. Und was sollte er mit einem Stuckator zu besprechen haben, dazu einem fremden? Dieser Mann hatte nur eine ähnliche Gestalt. Sein seidengefütterter Mantelumhang aus geschmeidig fallendem schwarzem Wollstoff war über die rechte Schulter zurückgeschlagen, auch der darunter sichtbare, mit Silberlitzen gefasste Rock und die Weste waren schwarz, der Dreispitz klemmte unter seinem Arm.
Rosina reckte den Hals und lauschte angestrengt. Sie hörte die Stimmen der Männer, und obwohl sie den Stuckator gerade noch klar verstanden hatte, verstand sie jetzt nur Gemurmel. Sprachen Männer, die sich über einen Auftrag oder das Verfahren eines Handwerks unterhielten, so gedämpft? Standen sie dann so nah beieinander?
Plötzlich hörte sie etwas ganz anderes: Die Glocke schlug die vierte Stunde. Sie war viel zu früh gewesen, nun würde sie zu spät kommen. Hastig stand sie auf, die Bank knarrte, und der neue Besucher wandte sich suchend um. Nun sah sie sein Profil, schmal und streng, ganz anders als Magnus’. Sie kannte es nicht, doch irgendetwas darin war vertraut.
Noch als sie durch das Portal hastete, glaubte sie seinen Blick im Rücken zu spüren. Das war das schlechte Gewissen, sie hatte gelauscht, und das tat eine Madam Vinstedt nicht. So wenig wie mit gerafften Röcken zwischen den Menschen hindurchzuhasten und über Pfützen und Unrat zu hüpfen.
Auf der Jungfernbrücke hörte sie ihren Namen rufen. «Mademoiselle Rosina», rief eine tiefe Frauenstimme, «Mademoiselle Rosina.»
Diesmal störte ihr plötzliches Stehenbleiben niemand. Eine Kutsche hielt neben ihr, eine gutgefederte Halb-Berline mit dem Familienzeichen Senator van Wittens auf dem Schlag. Die Senatorin beugte sich aus dem Fenster, sie lächelte breit über ihr ganzes rosiges Gesicht.
«Ich meine natürlich Madam Vinstedt. Verzeiht, mein Kind, in meinen Jahren tut man sich schwer mit Veränderungen. Ich bin sicher, Ihr seid wie ich zu Augustas Kaffeekränzchen unterwegs. Ich hoffe, Ihr werdet auch bald wieder für uns singen. Steigt ein.» Ohne auf eine Antwort oder gar das Absteigen des Kutschers zu warten, öffnete sie selbst den Schlag und klopfte neben sich auf die Bank. «Ich kann dieses neue Spielzeug meines lieben Senators nur mit einer Leiter besteigen», erklärte sie vergnügt, «Ihr schafft es sicher auch so.»
Es blieben nur noch wenige Schritte bis zum Haus der Herrmanns’, ein Katzensprung für Rosina. Für die, nun ja, beleibte Madam van Witten in ihrer üppigen Flut von Röcken aus
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