Mit dem Teufel im Bunde
Ende.»
Tobias’ Kinn, gerade hoffnungsvoll gehoben, sackte wieder auf seine Brust. «Da wird der Lehrer aber schimpfen», sagte er und dachte an den Rohrstock, der stets warnend auf dem Pult lag.
«Richtig. Du hast geschwänzt, nun musst du es ausbaden. Ob er heute schimpft oder morgen, macht wenig Unterschied. Und nun lauf, Tobi, ich will dich hier nicht mehr sehen.»
Er nickte ergeben, ließ die Münzen in der Tasche verschwinden, die kein Loch hatte, und wandte sich zum Gehen. Dann drehte er sich noch einmal zu ihr um.
«Habt Ihr schon gefragt?», seine Stimme klang dünn, «ich meine, wart Ihr schon bei dem alten Zacher? Ihr wisst schon warum.»
«Ja, Tobi, ich war da.» Sie strubbelte ihm freundlich durchs Haar. «Es kann noch ein paar Tage dauern, bis es entschieden ist. Ich bin aber ziemlich sicher, dass du bald zu uns in die Mattentwiete kommen kannst. Wir haben nämlich Verbündete.»
Ein Strahlen ging über Tobis Gesicht, ein solches Strahlen, dass Rosinas Herz weich wurde wie Butter in der Sonne. Sie sah dem vergnügt davonhüpfenden Jungen nach, fühlte ein Lächeln und überlegte, ob er sich ohne all die anderen Kinder einsam fühlen würde. Und ob es klug war, sich dieses Früchtchen ins Haus zu holen. Was war schon klug? Sie hatte selbst so viel Glück gehabt, es war an der Zeit, ein wenig davon weiterzugeben.
Ein paar Minuten blieben ihr noch, bis sie sich wieder auf den Weg machen musste. Sie schritt den Mittelgang hinunter, setzte sich in eine Bank und sah sich um. Es hieß, die Kirche sei vor der großen Reform des Dr. Luther mit achtzehn Nebenaltären und den damals in großer Zahl existierenden Heiligenfiguren und -bildern viel prächtiger gewesen, doch mit den verbliebenen großen Gemälden an den Wänden, der prächtigen marmornen Kanzel und dem Taufstein aus gleichem Material war sie immer noch reich geschmückt. Die große, nur noch undeutlich erkennbare Wandmalerei, die unter der Südempore Christophorus zeigte, ließ ahnen, welch reichen Bilderbogen die Kirche einst ihren Gläubigen geboten hatte.
Die Brüstung der Empore schmückten jüngere Darstellungen, zumeist aus dem Neuen Testament, darunter eine lange Reihe von Wappen Hamburger Bürger, die der nördlichen Empore aus dem Alten Testament, von Aposteln und Evangelisten. In das Gewölbe waren in einst gewiss leuchtenden, nun schon verblassten Ölfarben biblische Szenen gemalt, über dem Lettner eine Szene um die Geburt Christi in natürlicher Größe. Den Altar mit seinen Engelfiguren und dem Kruzifix und den beiden Reliefs von Alabaster sah sie von ihrem Platz kaum, er war hinter dem Lettner verborgen.
Und dann waren da noch die zahlreichen Epitaphien, zumeistan den Säulen, kunstvolle Gedenktafeln Hamburger Familien, Stifter und Ämter, von denen einer, wenn er denn sprechen könnte, Zeugnis vom Tod Sibylla van Keupens geben könnte.
Rosina lehnte sich zurück, sie wollte lieber das heiterste, gleichwohl bescheidenste Kunstwerk betrachten: die Sterne an der Decke des himmelhohen Kreuzrippengewölbes. Neben der Pracht der Gemälde waren sie unscheinbar. Doch auch wenn ihre Vergoldung wie die blaue Farbe auf den Gewölberippen dringend der Erneuerung bedurfte, mochte Rosina sie besonders, vor allem wenn ihr die Stadt zu eng wurde.
An dem Epitaph der Säule rechts nahe dem Lettner, weit weg von dem der van Keupens, löste sich gerade eine kleine Gruppe von Menschen auf und gab den Blick auf ein einem Podest gleichendes Gerüst und einen Tisch von derben Balken und Brettern frei. Endlich auch auf zwei Männer, von denen der ältere eine große graue Schürze mit Flecken und Streifen von überwiegend weißer Farbe trug. Beide hatten die Ärmel ihrer groben Hemden hochgebunden. Rosina fiel ein, Pauline hatte erwähnt, wie kurios es sei, dass die Madam just unter dem Epitaph ihr letztes Stündlein erlebt habe, wo sie doch gerade den Stuckator hatte kommen lassen, um die Gedenktafel der Familie und andere Schäden am Stuckmarmor in Sankt Katharinen auszubessern.
‹Der arme Mann›, hatte Pauline geseufzt, ‹kommt von so weit her, ganz von Kopenhagen!, und dann ist die Dame, die ihn dafür bezahlen soll, tot.›
Ob Mademoiselle Juliane das nun tun werde? Die sei ja bekannt für ihre Kniepigkeit. Und das, wo sie in einem so reichen Haus lebe. Echte Vornehmheit beweise sich nicht in Damastmundtüchern und französischem Geschwätz, sondern in Großherzigkeit. Pauline kannte ihre Welt.
Der Ältere, zweifellos der
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