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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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zutraute.
    Als Wagner wieder auf der Straße stand, sah er an der steinernen Fassade hoch. Ein stolzes Gebäude. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er zu wenig nach Mademoiselle Juliane gefragt hatte. Er wusste um ihre Stellung im Haus und wo sie zur Zeit des Mordes gewesen war, doch nichts über ihr Verhältnis zu ihrer Schwägerin. Das musste er nachholen. Nach dem, was er in den letzten Stunden erfahren hatte, bedeutete das Leben hinter dieser Fassade die reinste Idylle. Eine allzu reine Idylle. Abgesehen von dem, was in den letzten Tagen und Nächten geschehen war.
    Wagners Magen meldete sich mit vernehmlichem Knurren zurück. Er starrte für einen Moment auf die weit geöffnete Tür des van Keupen’schen Speichers auf der anderen Straßenseite, das Quietschen der Seilwinde von der Rückseitedes Gebäudes am Fleet war bis hierher zu hören, Männer riefen denen in den Waren anliefernden und abholenden Schuten etwas zu, eisenbeschlagene Schubkarrenräder ratterten über die alten Dielen der Böden – die Herrin war tot, der van Keupen’sche Handel ging weiter.
    Er zuckte die Achseln, lief, ohne dem Gewimmel der Ewer der Vier- und Marschländer Gemüsebauern im Nikolaifleet einen Blick zu gönnen, über die Holzbrücke zum Burstah und quer durch die Altstadt, eilig, als zöge ihn der Duft eines gesottenen Herings wie an unsichtbaren Fäden zu seiner Wohnung am Plan. Es war höchste Zeit zu essen, Karla erwartete ihn längst.

KAPITEL 5
    DONNERSTAG, 29.   OKTOBER, NACHMITTAGS
    Rosina blickte zur Turmuhr hinauf und erkannte, dass sie viel zu früh aufgebrochen war. Bis zum Haus der Herrmanns’ am Neuen Wandrahm brauchte sie noch fünf Minuten, bis zur verabredeten Zeit blieb eine halbe Stunde. Der Weg durch den Sankt-Katharinen-Kirchhof war belebt, als sie stehen blieb, prallte beinahe eine Wasserträgerin gegen sie. Die überschwappenden Eimer ausbalancierend schimpfte sie über nichtsnutzige Madams, die armen arbeitenden Leuten im Weg herumstehen, und schlurfte vor sich hinbrummelnd mit ihrer tropfenden Last weiter. Rosina schluckte eine passende Replik hinunter und versuchte die Rückseite ihres frischgebügelten Rockes zu inspizieren, gerade heute wollte sie makellos gekleidet sein. Es war schwierig, den Oberkörper im Schnürleib, dieser Rüstung aus Leinen und Fischbein, weit genug zu drehen. Pauline hatte energisch geschnürt. Damit stolziere sie ganz von selbst wie eine Dame, anstatt zu rennen wie ein Wiesel, hatte sie erklärt. Nur der hintere Saum des Manteaus war nass geworden, er würde schon rechtzeitig trocknen.
    Die Kirchentür stand weit offen. Gestern, so hatte Pauline berichtet, habe es einen Ansturm auf die Kirche gegeben, die halbe Stadt, vom Bettler bis zum Senator, wollte den Ort sehen, an dem am Abend zuvor zwei tote Frauen gefunden worden waren. Natürlich nur, um ihrer in tiefem Mitgefühl zu gedenken. Als auch die Straßenhändler mit der Nase für gute Geschäfte in die Kirche drängten, hatteder Küster das Stadtmilitär zu Hilfe gerufen, um für Ordnung zu sorgen und wenigstens die Händler aus dem Gotteshaus und vom Kirchhof zu weisen. Das war auch bei den Besuchern auf Unmut gestoßen. Eine kleine Erfrischung oder eine Erinnerung vom Ort des Schreckens war doch sehr angenehm, besonders für einige Damen, die beim Anblick der Bank vor dem van Keupen’schen Epitaph nach dem Riechfläschchen greifen mussten, obwohl von dem Blut leider nichts mehr zu sehen war. Und schließlich gab es in vielen Kirchen Stände von Buchhändlern, die dort gewiss nicht nur religiöse Werke verkauften. In der Domkirche wurden sogar Jahrmärkte abgehalten, der größte zu Weihnachten, in dieser heiligen Zeit.
    Der vom Küster zur Unterstützung gerufene Hauptpastor war hart geblieben. So war das Kommen und Gehen der Schaulustigen unter den strengen Blicken der Soldaten manierlich und ohne Geschrei verlaufen. Und nüchtern.
    Auch jetzt wurde in der Kirche noch flaniert und geschwatzt, doch der Ansturm war vorbei. Soldaten wurden ebenso wenig gebraucht wie Riechfläschchen.
    Aus einer Gruppe vornehm gekleideter Damen und Herren nahe dem van Keupen’schen Epitaph hörte Rosina eine helle Stimme. «Jahaa, ich kannte die Dame gut. Sie war eine große Wohltäterin, und hier hat sie gelegen, in ihrem Blut, das Gebet noch auf den Lippen, gemeuchelt von einem Satan in Menschengestalt. Nee, Musjöh, das weiß man noch nicht, es ist auch nicht sicher, ob sie den überhaupt finden. Der schleicht jetzt durch die Stadt, es

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