Mit dem Teufel im Bunde
Sei es nur, bis die Schulden abgetragen waren.
«Madam König und bis zu seinem Tod auch ihr Gatte sind enge Freunde von Lessing, er ist Pate ihres jüngsten Kindes. Er hat ihr und ihren Kindern nach Engelbert Königs Tod fabelhaft beigestanden. Sie schreibt übrigens weitaus häufiger als der gute Lessing. Sie muss sich in Wien sehr plagen. Aber nach einer Verlobung dürft Ihr mich nicht fragen, Madam Herrmanns, davon weiß ich nichts.» Madam Büsch lächelte verschmitzt. «Wenn Ihr es genau wissen wollt, schreibt nach Wien und fragt sie selbst. Ihr kennt sie fast so gut wie ich. Oder fragt bei Gelegenheit Lessing selbst, er hat versprochen, uns bald wieder zu besuchen.»
«Eine Verlobung? Mit Monsieur Lessing?» Auf Mademoiselle Stollbergs Wangen zeigten sich rote Flecken, ihre Augen bekamen einen heroischen Glanz. «Das kann nurGerede sein, Madam Herrmanns. Ein Dichter wie er, ein so außergewöhnlicher Mann des Geistes, verschwendet seine Kräfte nicht an eine Ehe und Kindererziehung.»
Sie ignorierte den irritierten Blick ihrer Freundin Henny, die seit zwei Jahren eine glückliche Ehefrau und seit vier Monaten guter Hoffnung war und das keinesfalls als Verschwendung betrachtete. Schließlich war auch ihr Ehemann, der Lehrer der Sankt-Katharinen-Kirchenschule mit besten Aussichten auf eine Anstellung an der Lateinschule und Verfasser launiger Verse, ein Mann des Geistes.
«Wir Frauen sind nicht dazu bestimmt, ein Handelshaus zu führen», meldete sich die junge Madam Meinert zu Wort, bevor Mademoiselle Stollberg weiter über die Gewohnheiten von Dichtern reden konnte. «So wenig wie für das Kriegshandwerk oder die Seefahrt. Ein behagliches Heim, die Erziehung der Kinder, die Pflege schöner Künste, die häusliche Gefährtin unseres Gatten – das bedeutet unser wahres Glück.»
«Tatsächlich?», murmelte Madam Bocholt, auf die wieder niemand hörte.
Anne Herrmanns, die mit ihrem Bruder ein Handelsgeschäft auf der Insel Jersey geführt hatte, bis sie schon in reifen Jahren Claes Herrmanns’ zweite Ehefrau wurde und nach Hamburg übersiedelte, saß plötzlich sehr aufrecht. Für einen Moment vergaß sie, dass Barbara Meinert erst seit wenigen Monaten Ehefrau und noch sehr verliebt war. Das erforderte einige Nachsicht.
«Glaubt Ihr das wirklich, Barbara? Denkt Ihr nicht, wenn man Mädchen erlaubte, das Nötige zu lernen, wären etliche durchaus in der Lage, Geschäfte zu führen? Madam van Keupen zum Beispiel war ungemein erfolgreich.»
Während Mademoiselle Stollberg eifrig nickte und Anne Herrmanns mit neuer Verehrung ansah, antwortete BarbaraMeinert knapp: «Vielleicht.» Ihre Erziehung verbot ihr, vehement zu widersprechen oder gar zu erwähnen, gerade Madam van Keupen könne in diesen Tagen kaum als erstrebenswertes Beispiel gelten. «Doch wozu sollten wir uns mit männlichen Aufgaben belasten?»
«Ach, meine Lieben», flötete Augusta, «Ihr habt beide recht. Wir wollen es den Zeitläuften überlassen, was daraus wird.»
Obwohl sie wie oft Annes Meinung zuneigte, wünschte sie keine Debatte, die würde doch nur höflich ausfallen, was selten zur echten Klärung einer Frage beitrug. Nun galt es, Annes Stichwort aufzugreifen, das einen ein wenig plumpen, doch raschen Übergang zum Thema Sibylla van Keupen bot.
«Genau», kam ihr Agnes Matthew zwitschernd zuvor. «Die Zeit hält immer Überraschungen bereit. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass wir heute hier mit der lieben Anne zusammensitzen und Tee trinken.»
In diesem Moment verschluckte sich Madam Büsch, und während Rosina ihr den Rücken klopfte, fragte sie sich, ob Madam Büsch sich erinnerte, dass Agnes damals beinahe Madam Herrmanns geworden wäre. Ihr Blick glitt über die Gesichter der Runde. Bis auf Augusta, die seit vielen Jahren verwitwet war, und auf Mademoiselle Stollberg waren alle verheiratet. Keine sah aus, als litte sie an Melancholie oder sonstigem Verdruss, selbst die schweigsame Madam Bocholt nicht. Vielleicht war die Ehe doch nicht ein gar so gefährliches Abenteuer. Und auch die Verbindungen von Henny Wildt und ihrem Bruder Lorenz Bauer entsprachen nicht den Erwartungen der Hamburger Gesellschaft. Womöglich hatte Madam Augusta recht, die Zeiten änderten sich. Ein wenig.
«Aber nun, meine Lieben», hörte sie Agnes Matthewheiter fortfahren, «lasst uns endlich ein wenig Klatsch und Gerüchte austauschen.»
Ihre Stimme war so silbrig wie ihre ganze, auch nach der späten Geburt ihres Kindes gertenschlanke
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