Mit dem Teufel im Bunde
Augusta und Anne Herrmanns warfen sich über den Tisch einen Blick zufriedenen Einverständnisses zu.
Außer ihnen saßen neun Damen um den Tisch im Speisezimmerim Herrmanns’schen Haus am Neuen Wandrahm. Elsbeth hatte das gute Fayence-Geschirr aufgedeckt – das ganz gute aus der neuen Berliner Porzellan-Manufaktur hätte wie Prahlerei gewirkt –, die Mundtücher aus feinem Leinen waren tadellos gebleicht, gebügelt und gefaltet, die Platten mit süßen Kuchen und Gebäck und die Schalen mit den Puddings und Soßen ließen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Augusta dachte flüchtig an ihren Rosmarinbranntwein, dafür war die Stunde zu früh, vielleicht ergab sich später ein Anlass. Der Branntwein, aromatisch, süß wie ein Likör und förderlich in frohen wie trüben Lebenslagen, war ihre eigene Kreation. Anders als weitere Versuche, zum Beispiel mit diesen tückisch gärenden schwarzen Johannisbeeren, war er noch nie explodiert. Mamsell Elsbeth zeigte sich dennoch stets nervös, wenn die verehrte Tante ihres Herrn sich zu neuen Experimenten in die Küche verirrte.
Der üppige Strauß von blauen Sternastern, letzten, schon melancholisch anmutenden weißen Rosen und Zweigen mit glühend roten Hagebutten aus dem Garten an der äußeren Alster passte zum Muster des Geschirrs. Allerdings hatte die praktische Anne ihn auf eine der Fensterbänke gestellt, damit sich keine den Kopf verrenken musste, um ihr Gegenüber zu sehen. Auf dem kleinen Seitentisch standen die Kannen mit Kaffee und Tee, auf Schokolade hatten sie als fürsorgliche Gastgeberinnen verzichtet, die Leckereien auf den Kuchenplatten waren süß und schwer genug. Die zarte Madam Bocholt, die mit einem in diesen Dingen asketischen Gatten gesegnet war, verbarg tapfer ihre Enttäuschung.
Augusta fand es nur schade, dass Madam Schwarzbach sich mit der großen Trauer über das Schicksal ihrer Freundin Sibylla entschuldigt hatte. Tatsächlich hinderte sie einePrellung im Gesicht und ein blutunterlaufenes Auge, das Haus zu verlassen. Sie war gestolpert, und die Schrankecke in der Schlafkammer war im Weg gewesen, so hatte sie ihren Kindern und Dienstboten versichert. Aber das wussten die Damen um diesen Tisch so wenig, wie sie sie vermissten.
Auch Anne und Augusta bedauerten die Absage der Gattin des Kattunmanufakteurs nicht wirklich, es hatte sie einige Überwindung gekostet, sie überhaupt einzuladen. Madam Schwarzbach plapperte mit hoher Stimme ohne Unterlass, was überaus ermüdend war, besonders wegen ihrer bescheidenen Geistesgaben. Zudem dauerte es nie lange, bis sie ausführlich von dem tragischen Dahinscheiden ihres ersten Gatten zu erzählen begann. Der Zuckerbäcker Marbach war vor einigen Jahren erschlagen worden, passenderweise mit einer tönernen Zuckerhutform, so hatte es jedenfalls zunächst ausgesehen und sich in der
Chronique scandaleuse
der Stadt erhalten. Nur wenige hatte sein abruptes Ende mit Trauer erfüllt, und niemand, wirklich niemand, interessierte sich noch für das unappetitliche Ende dieses Mannes. Er war so großmäulig wie niederträchtig gewesen, was seine Witwe, die ihn trotz allem geliebt hatte, spätestens nach der Hochzeit mit Monsieur Schwarzbach vergessen hatte.
Schwarzbach, so hieß es, habe sich mit der Heirat weniger für eine zärtliche Gattin als vielmehr für die Verbindung mit einer der größten Zuckerbäckereien der Stadt entschieden. So etwas war nie umsonst. Madam Schwarzbach schien das nicht zu stören, sie zeigte sich stets selig lächelnd, ihre ganze Fülle in ein zu enges Korsett und bis zur Vulgarität teure Kleider gehüllt. In ihrer ersten Ehe hatte sie fünf Kinder geboren und war doch eine zierliche Frau geblieben. In den vergangenen Jahren war sie zu einer kugelrundenPerson mit schriller Stimme geworden. Ihren Ohren und den kleinen wachsamen Augen entging nichts.
Kurzum, Madam Schwarzbachs Gesellschaft war den Damen des Hauses Herrmanns angenehm wie ranzige Butter. Wenn es jedoch um eine gute Sache ging, musste man Opfer bringen. Denn aus welchem Grund auch immer, die Schwarzbachin hatte Sibylla van Keupen von allen anwesenden Damen am besten gekannt. Jedenfalls wurde sie nicht müde, das zu behaupten. Ob es stimmte oder nicht, diesmal hätte sie zweifellos einiges von Interesse zu erzählen gehabt.
Denn darum ging es heute, um Sibylla van Keupens Tod. Natürlich erwähnte das niemand, aber was sonst konnte Thema Nummer eins sein, wenn man sich so kurz nach dem gewaltvollen Tod einer
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