Mit dem Teufel im Bunde
bei den Reimarus’ getroffen, als ich bei Mademoiselle Elise zum Tee war.» Sie lachte nervös, griff nach ihrerlängst geleerten Kaffeetasse und stellte sie zurück. «Natürlich ist das unvernünftig, es muss ein Irrtum sein, ich hätte es gar nicht erwähnen sollen. Es wäre doch zu kurios.»
«Ach, mein Kind», sagte Augusta milde, sie fühlte stets ein wenig Mitleid mit der steifen jungen Frau, «mit diesen Perücken voller Reismehlpuder gleichen sich viele Männer. Ich bin bei Gesellschaften immer froh, wenn einer eine besonders große Nase, buschige Brauen oder ein fliehendes Kinn hat, selbst wenn einer hinkt oder lispelt. Leider hatte Doktor Struensee es mit der Verbreitung seiner Gedanken und der Verwirklichung seiner Pläne immer zu eilig, schon hier. Vielleicht war er auch ein bisschen verrückt geworden und hatte den Blick für die Realität verloren, für das Machbare. Wie viele geniale Menschen oder solche, die an der Welt leiden. Mag sein, Struensee war auch ein Tunichtgut, aber seine Hinrichtung ist und bleibt eine Schande. Ich habe auch von dieser dummen Flugschrift gehört, die ihn als Wiedergänger und Kumpan des Satans darstellt. Trotzdem ist er tot. Daran kann es keinen Zweifel geben.»
«Leider», seufzte Madam Matthew, «er war ein so interessanter leidenschaftlicher Mensch. Wer steigt schon vom Armenarzt zum Graf auf?»
«Das hat er teuer bezahlt», knurrte die Senatorin, die bei aller Großzügigkeit wenig Verständnis für Männer hatte, die nicht nach Art ihres Senators und seiner Kollegen Stadt oder Reich gemächlich und in guter Tradition verwalteten, sondern die absolute Macht an sich rissen und in rasender Eile eine Reform nach der anderen anordneten. Allerdings konnte auch sie nicht glauben, dass er geplant hatte, seinen König und den Kronprinzen zu ermorden. Für die Liebe zwischen Struensee und seiner jungen Königin Caroline Mathilde empfand sie Nachsicht. Der dänische König war alles andere als ein Traum für die blutjunge englische Prinzessingewesen, die man mit ihm verheiratet hatte, das wusste jeder.
Es war spät geworden. Kuchen und Cremes waren köstlich gewesen wie der Kaffee, nur der Klatsch hatte nicht das hergegeben, was die Damen erwartet hatten. Selbst die Sache mit Madam van Keupen und Sonnin wäre nur delikat, wenn der Baumeister ein junger Apoll wäre. Davon konnte absolut keine Rede sein.
Während Anne als Hausherrin die Tafel aufhob, fiel Henny etwas ein, was sie ihre Kränzchenschwestern unbedingt noch hören lassen wollte. Endlich konnte Augusta die Karaffe mit dem Rosmarinbranntwein auf den Tisch stellen. Sogar Madam Bocholt blieb, obwohl ihr Kutscher seit geraumer Zeit untätig vor der Tür döste, ganz abgesehen von ihrem Gatten, der sie um diese Stunde stets im Salon erwartete, um ihr aus dem
Hamburgischen Correspondent
vorzulesen und die Welt zu erklären, was er ohne ihre schweigsame Gegenwart wenig ergötzlich fand.
Es sei ihr beim Stichwort Kopenhagen eingefallen, erklärte Henny; der Stuckator, den Madam van Keupen für ihren Epitaph habe kommen lassen, sei aus der dänischen Hauptstadt angereist. Einen Tag vor dem Brand, zwei Tage vor ihrem Tod. Und dem Tod der Unbekannten, ja, das auch. Annes Einwand, er habe keinen Grund gehabt, ausgerechnet seiner Auftraggeberin zu schaden, konnte sie nicht bremsen. Wohl kaum, stimmte sie zu, aber vielleicht habe es einen anderen Grund gegeben. Dass sie das Folgende von ihrer Weißwäscherin gehört hatte, ließ sie sicherheitshalber unerwähnt, wenngleich jede wusste, dass Wäscherinnen und Schneider mit ihrem Zugang zu vielen Häusern die besten Auskunfteien waren.
«Meister Taubner», fuhr sie eifrig fort, «so heißt der Mann, stammt aus Altona und hat schon früher für sie gearbeitet,zum Beispiel die neue Stuckdecke in ihrem Salon, eine überaus kunstvolle Arbeit, ja, und jetzt ist er, wie gesagt, direkt aus Kopenhagen gekommen. Nein, nein, Roswitha, das spielt nun gar keine Rolle», reagierte sie auf deren deutlich hörbaren ungeduldigen Seufzer. «Obwohl er in der Hofkirche gearbeitet haben soll und Struensee getroffen haben mag. Viel interessanter finde ich, dass er Mademoiselle Juliane den Hof gemacht hat. Juliane van Keupen, Sibyllas Schwägerin.»
«Hat sie ihm auch – Avancen gemacht?», fragte Madam Matthew spitz.
«Nein.» Henny schüttelte ernsthaft den Kopf. «Dazu ist Mademoiselle Juliane zu stolz. Aber ich weiß, dass sie ihn auch mochte, und sie ist ja in einem Alter», erklärte sie
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