Mit dem Teufel im Bunde
gegeben. Was sollte der Weddemeister damit anfangen? Es steht ja kein Name darauf, und vielleicht lag sie schon vorher dort. Sie ist doch gar nicht wichtig.»
«Wahrscheinlich nicht. Ich kann sie dir trotzdem nicht geben. Aber mach dir keine Sorgen, John. Der Weddemeister hat sie nicht bekommen, nicht einmal gesehen, dessen bin ich sicher, und wie du sagst: Es steht kein Name darauf. Außerdem muss es Dutzende gleicher Art geben. Ich wollte, es wäre anders, dann wäre ein Geheimnis, wenn auch das geringere, womöglich schon gelüftet. Am besten, du gehst wieder an deine Arbeit und vergisst diese dumme Lampe. Das ist fast so, als habest du sie in die Elbe geworfen.»
John nickte, doch sie sah ihm an, dass er das für keine Lösung seines Problems hielt.
«Ja, Mademoiselle», sagte er mit zögernder Stimme, «wenn Ihr so entscheidet, wird es richtig sein. Und wenn der Weddemeister danach fragt?»
«Warum sollte er das? Er weiß doch nichts davon.»
Als Juliane wieder allein war, leerte sie ihren Teller, jedoch ohne zu schmecken, was sie aß. Wie hatte sie diese Laterne nur vergessen können? Dass Wagner nicht davon wusste, schien ihr sicher, sie hatte ihn weggehen sehen, und er hatte nichts außer einem großen blauen Tuch in seinen Händen gehabt, mit dem er sie kräftig rieb. Seine Rocktaschen waren ausgebeult gewesen, doch nicht weit genug.
Wo war die vermaledeite Laterne? Und warum hatte Sibylla sie – ja, was hatte sie damit gemacht? Sie verschwinden lassen? Warum? Oder hatte sie sie in irgendeiner Weise verwenden wollen? Wozu? Hatte sie die Lampe gekannt? Und vermutet oder gar gewusst, wer das Feuer gelegt hatte?
Sie schloss die Augen, stützte die Stirn in die Hände und versuchte sich zu erinnern. Sie hatte das Kontor gleich nach John verlassen. Da hatte Sibylla die Lampe noch in der Hand gehalten. Und dann? Juliane war ihr in der Diele begegnet, als sie später aus dem Kontor kam. Mit der Lampe? Sie hatte etwas in der Hand gehalten. Ja, das stimmte. Aber es war keine Tranlampe gewesen, sondern eine Mappe aus weinrotem Saffianleder. Eine lederne Mappe, die sie gleich hinauf in ihre Schlafkammer gebracht hatte, noch bevor sie zum Frühstück gegangen war. Sie musste sie finden, diese Lampe. Sie musste sie sehen. Wo war sie? Im Kontor? Sie konnte nur im Kontor sein. Dort gab es wenig Möglichkeiten, sie zu verbergen. Sie musste nur warten, bis die Schreiber und Lehrjungen ihre Arbeitsplätze verlassen hatten. Und Bergstedt.
Als sie den Tee getrunken hatte und sich wieder über ihre Korrespondenz beugte, tauchte noch einmal das Bild vor ihr auf, wie Sibylla aus dem Kontor kam und durch die Diele ging. Doch diesmal standen nicht ihr Gesicht, ihr Blick, ihr Lächeln im Zentrum. Es war diese rotlederne Mappe. Sie hatte sie mit hinaufgenommen, das war sicher.Warum hatte Sibylla sie aus dem Kontor mit in ihre Schlafkammer genommen? Was verbarg sich zwischen den alten Lederdeckeln? Und wieso hatte Juliane sie dann nicht gefunden, weder im Kontor noch in Sibyllas Zimmer, in dem sie doch kein Fach, kein Eckchen undurchsucht gelassen hatte?
Sibylla war nach diesem Morgen nur noch zweimal ausgegangen, Juliane hatte sie begleitet und keine Mappe gesehen. Nur ihren letzten Weg, zur Katharinenkirche, war Sibylla allein gegangen, aber Juliane hatte sie fortgehen sehen – mit leeren Händen.
Plötzlich schien ihr diese alte Mappe, die nicht einmal besonders dick gewesen war, ungemein wichtig. Irgendwo musste sie sein, hier in diesem Haus.
Was sie in dem geheimen Fach in der Schrankwand entdeckt hatte, würde ihr Leben verändern, bald, wenn die Zeit gekommen war. Sie musste wissen, ob die Mappe noch mehr Überraschungen barg. Und ob sie ebenso schändlich waren.
KAPITEL 7
FREITAG, MITTAGS
Die Manufaktur des Kunstblumenmachers war leicht zu finden. Der Baumwall, Teil der langen Straße, die sich bis zur Bastion Albertus am Hafenrand entlangzog, war nach den schwimmenden Baumstämmen benannt, tatsächlich schweren Flößen, die hier mit der Dämmerung als Sperren vor die Zufahrt des inneren Hafens gezogen wurden, zur Sicherheit und im steten Kampf gegen den Schmuggel. Am östlichen Ende ragte das stolze
Baumhaus
auf, ein gediegenes Gasthaus samt Tanzsaal und Billardstube, in dem die Hamburger ihre großen Feste feierten. In einem niedrigen Anbau befand sich die Zollaufsicht, daneben der Anleger für die Fährewer nach Stade und Buxtehude und nach Harburg an der Süderelbe. Vor der Tür des Zollhauses rauchte ein
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