Mit dem Teufel im Bunde
zu einer älteren Frau, die ihren Arbeitsplatz an einem Tisch vor dem letzten Fenster neben einem kleinen eisernen Ofen hatte.
«Sina zaubert mit ihren Boule-Eisen aus den Fetzen Blütenblätter», sagte Madam Joyeux, «das ist etwas, das nicht jede kann und manche auch nie lernt.»
Sie nickte ihrer Arbeiterin aufmunternd zu, und Sina legte einen der ‹Fetzen› auf eine weiche, doch nicht zu weiche Unterlage. Dann wählte sie unter den mit hölzernen Griffen versehenen Kugeleisen, die in verschiedener Form und Größe auf der makellos sauberen Kupferplatte auf demOfen lagen, eines aus, prüfte die Temperatur am inneren Handgelenk und ließ es mit geübtem Druck über die mal mehr, mal weniger gedehnte Seide gleiten, bis ein Blütenblatt mit seinen natürlichen Wölbungen entstand. Was einfach aussah, war das Ergebnis langer Erfahrung. Sie legte das Eisen zurück, nahm aus einer Schachtel eine Ahle, begann den Blattrand zart einzurollen und drückte mit einem polierten beinernen Stäbchen Äderungen in den Stoff, immer wieder, bis aus dem Fetzen tatsächlich ein Blatt geworden war.
Madam Joyeux hatte Geduld bewiesen, nun war es genug. «Andere Blätter brauchen gekräuselte Ränder», erklärte sie und wandte sich dem langen Arbeitstisch zu, «wieder andere gezahnte. Die Natur ist von unendlicher Vielfalt, es ist unser Bestreben, ihr zu entsprechen. Und nun könnt Ihr zusehen, wie Céline aus Blättern eine Blüte macht. Céline», fügte sie mit Stolz hinzu, «ist meine Tochter.»
Céline, ein Mädchen von vielleicht fünfzehn Jahren mit gelocktem, fast schwarzem Haar und Augen von der Farbe des Rockes ihres Vaters, lächelte der Besucherin kokett zu, bevor sie sich wieder über ihre Arbeit beugte. Zwischen den Behältern für die Blütenblätter lag ein Bogen mit verschiedenen, nach der Natur aquarellierten Blüten, auf einem Tablett ordentlich aufgereiht Pinzetten, feine Zangen und eine Art Nadelkissen, in dem verschiedene künstliche Staubgefäße steckten. Mit ruhiger Hand und flinken Fingern fügte sie die – wie Madam Joyeux erklärte – mit einer Mischung von Gummiarabikum und Mehl auf feine Drähte geklebten Blütenblätter zusammen, setzte auch kurze Stücke von festem Garn oder besonders feinem Draht mit einem winzigen Kügelchen am Ende als Staubgefäße ein. Die würden aus Wachs oder einfachem gefärbtem Teig geformt.
Schließlich schob Céline einen mit grünem Papier umwickelten Draht als Stängel ein und umfasste alles am unteren Ende der Blüte mit einem dünnen Streifen des gleichen Papiers. Sie reichte Rosina eine weiße, in der Tiefe rosig schimmernde, voll erblühte Rose, die sich auf den ersten Blick kaum von denen unterschied, die in Anne Herrmanns’ Garten blühten und süß dufteten. Es fehlten nur noch einige Blätter für den Stängel.
«Voilà, Mademoiselle», sagte sie mit verschmitztem Lächeln, «passend zu Eurem Teint von Milch und Rosen.»
Sogar Madam Joyeux erlaubte sich ein kurzes glucksendes Lachen. Die Stängel, erklärte sie, würden von einem Drahtzieher geliefert, der sie auch gleich mit dem Papier umwickele. Man könne schließlich nicht alle niedrigen Arbeiten selber machen.
«Dieser delikate rosige Schimmer am Grund der Blüte ist auf die Seide gemalt, Madam. Viele der Blüten werden mit dem Pinsel verfeinert und erst so natürlich. Das ist eines der kleinen Geheimnisse unserer Kunst. Unsere Malerin hatte uns verlassen, aber wir hatten Glück. Mit Akulina Gamradt haben wir eine gute Nachfolgerin, lasst mich ruhig sagen: eine echte Künstlerin. Sie hat bei einem Fächermacher gearbeitet; seit er kürzlich seine Werkstatt geschlossen hat, ist sie bei uns. Sie ist eine vorzügliche Malerin. Glaubt mir, so schnell gebe ich ein solches Urteil nicht ab.»
Das glaubte Rosina sofort. Die Fächermacherin! Endlich! «Akulina?», sagte sie. «Das ist ein ungewöhnlicher Name.»
«Ja, und so passend. Er ist russisch und bedeutet Akelei. Eine besonders zarte Blüte, eine meiner liebsten, und schwer herzustellen. Doch für die großen Bouquets lohnt sich die diffizile Arbeit. Leider ist Akulina nicht da, aber icherwarte sie jede Minute zurück. Fächer sind etwas Wunderbares, Madam, findet Ihr nicht? Wenn erst die Zeit der Bälle und des Karnevals beginnt, sind sie unverzichtbar für eine Dame von Eleganz. Wenn Ihr Euch nun für die Blüten Eurer Wahl entscheiden wollt, Madam, will ich Euch die Schachteln mit unserem Angebot öffnen. Wünscht Ihr einzelne Blüten oder
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