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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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so erleichtert aufseufzen, wie der Gedanke sie erschauern ließ, Madam Schwarzbach könne sich ihr tatsächlich als Freundin aufdrängen. Eines wunderte sie. Madam Schwarzbach hatte sich keine Minutestillen Gedenkens am Sarg ihrer Freundin erbeten. Oder einfach genommen. Sibylla lag im hinteren Teil der Diele aufgebahrt, deren Wände und Fenster waren wie die des Salons mit schwarzen Tüchern verhängt. Es war stets dämmerig in der Diele, wenn man aus dem hellen Licht des Tages hereintrat, erschien es dunkel. Trotzdem konnte sie den Sarg nicht übersehen haben.
    Juliane wandte sich um und schlang mit hochgezogenen Schultern die Arme um den Körper. Da lag Sibylla in ihrem kostbarsten Seidenkleid im Sarg aus heller Eiche mit silbernen Beschlägen. Links und rechts standen die beiden Kandelaber, die gewöhnlich ihren Platz vor dem Familienepitaph in der Katharinenkirche hatten. Es war eine freundliche Geste von Pastor Goeze, doch ihr Anblick hatte Juliane erschreckt. Wenn die Leuchter hören und sehen, wenn sie sagen könnten, wer an jenem Abend auf der Empore gestanden und auf Sibylla hinuntergesehen hatte? Der Gedanke ließ sie frieren. Das Licht der Kerzen warf zitternde Schatten, in der bleiernen Stille, die nur hin und wieder von einer gedämpften Stimme oder verhaltenen Geräuschen aus der Küche unterbrochen wurde, wirkten sie nicht wie ewige Lichter der Hoffnung, sondern als bedrohliche Mahnung.
    Juliane hatte den Sarg gleich schließen lassen. Die beste Schminke konnte die entstellenden Verletzungen nicht ganz verbergen. Vor allem aber hätte sie den Anblick der Toten nicht ertragen. Es war genug, ihr neben dem Sarg aufgestelltes Porträt zu sehen, diesen klaren, wissenden Blick. Manchmal, wenn Juliane durch die Diele schritt, erwartete sie auch, Sibyllas Stimme zu hören. Die spitzen, kleinen Sätze, die ihr Ziel nie verfehlten, dieses besondere, kühl perlende Lachen. Niemand hielt Wache während der letzten Stunden von Sibyllas Körper auf Erden. Ihre Töchterhätten es getan, doch die würden erst in diesen oder den nächsten Tagen vom Tod ihrer Mutter erfahren, je nachdem, wie schnell die Briefe ihre Ziele erreichten.
    «Mademoiselle Juliane?» Bergstedts leise Stimme ließ sie zusammenfahren. Seit Sibyllas Tod nannte er sie stets Juliane, sie nahm es hin, obwohl es nicht richtig klang. «Ihr seht sehr müde aus, Ihr solltet Euch schonen und ein wenig ruhen.»
    Als sie nicht antwortete, schob er seine Hand unter ihren Arm und führte sie die Treppe hinauf. Sie ließ auch das geschehen, es war so angenehm, geleitet zu werden. Auf der Galerie im ersten Stock blieb er vor der Treppe stehen, die zu den privaten Räumen führte. Sie schüttelte den Kopf, es war ihr unvorstellbar, am hellen Tag in ihr Zimmer zu gehen, um zu ruhen. Und dort lauerten in noch dumpferer Stille die Dämonen aus Vergangenheit und Zukunft. Es war genug, wenn sie ihnen des Nachts begegnen musste.
    «Nein», sagte sie, «lieber in den Salon. Ich lasse Tee bringen, dann geht es mir gleich besser.»
    «Ihr seid unvernünftig», sagte er sanft und öffnete ihr, die Hand immer noch unter ihrem Arm, die Tür zum Salon. «Ihr mutet Euch zu viel zu, ich werde Order geben, dass heute keine Besucher mehr eingelassen werden.»
    «Ja», er hielt immer noch leicht ihren Arm, und sie ertappte sich dabei zu bedauern, dass sie die Wärme seiner Hand gleich nicht mehr spüren würde, «ja, das ist sicher vernünftig. Ich habe zu wenig geschlafen und fühle mich wirklich schwach.» Sie entzog ihm ihren Arm und trat einen Schritt beiseite. «Ich danke Euch, Monsieur Bergstedt, Ihr seid eine große Hilfe. Nicht nur im Kontor.»
    «Und Ihr seid zu viel allein, Mademoiselle. In solchen Tagen sollte man nicht ohne Familie und Freunde sein. Eure Contenance ist bewundernswert, doch niemand kannimmer stark sein.» Er musterte die schwarzverhängten Wände und Fenster und fuhr fort: «Vielleicht solltet Ihr Euch erlauben, ein Fenster zu öffnen. Gönnt Euch in diesen dunklen Stunden Licht. Madam van Keupen», fügte er sanft hinzu, «hätte das getan.»
    Ihr leises Lachen klang bitter. «Sibylla wusste immer, was zu tun war, und traf ihre Entscheidungen, ohne an das Geschwätz der Leute zu denken. Ja, sie tat immer, was sie für richtig hielt. Und was gut für sie war.»
    Sie zerrte eines der schwarzen Tücher beiseite und stieß heftig das Fenster auf. Bergstedt sah ihr zu und lächelte. Er wusste schon lange, dass zwischen der Ehefrau und der Schwester

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