Mit dem Teufel im Bunde
der Stadt waschen. Allerdings hätte Magnus sie dann tragen müssen. Ihre zierlichen, seidenbezogenen Schuhe hielten Pfützen und Morast nicht stand. Sie bogen in die Fuhlentwiete ein, viele Fenster der dicht an dicht stehenden Häuser waren noch erleuchtet, auf der Straße bewegte sich niemand außer einem davonhinkenden Hund.
Als Magnus vorgeschlagen hatte, auf einen Krug Bier in den
Bremer Schlüssel
zu gehen, hatte er Rosina eine Freude machen wollen. Sie liebte die Schänke ganz in der Nähe des Hauses der Krögerin, in dem sie bei ihren Aufenthalten in Hamburg mit der Komödiantentruppe stets gewohnt hatte. Jakobsen, der Wirt, hatte die bunte Gesellschaft immer willkommen geheißen. Er mochte sie, und als einer, der in seinen jungen Jahren von der Seefahrt und fernen Abenteuern geträumt und sich stattdessen für seinen sicheren Tresen entschieden hatte, beneidete er sie heimlich um ihr freies Leben. Dabei wusste er um den Preis, er war nie versucht gewesen, es ihnen gleichzutun. Zu seinem und seiner Gäste Glück, denn Jakobsen war ein fabelhafter Wirt, der beste Darsteller auf seiner Branntwein-Bühne, als die er sein Gasthaus gern bezeichnete.
Endlich waren sie am Ziel. Hinter der Tür des
Bremer Schlüssel
empfing sie eine Geruchsmelange von Bier, saurem Wein, Fisch und Ochsenschwanzsuppe und zu vielen Menschen auf engem Raum, in der Luft stand der Rauch von Tabakspfeifen und den Unschlittkerzen, die auf den langen Holztischen standen und in zweiarmigen Leuchtern an den Wänden steckten. Es war ein einfaches Gasthaus, aber an Kerzen sparte Jakobsen nicht. Er sei nun Mitte der fünfzig und fahre bald genug in die Gruft, hatte er erklärt, als seine Schwester Ruth, die Herrin der engen Küche hinter dem Tresen, zur Sparsamkeit mahnte.
Seit einiger Zeit warteten im hinteren Teil der Gaststube, dort, wo zwei Fenster zu einem winzigen Garten hinausgingen, kleine Tische mit Tischtüchern und einzelnen Stühlen auf vornehmere Besucher. Diese Gäste kamen und zahlten klaglos den doppelten Preis wie die an den langen Tischen und Bänken. Ruths Kochkunst hatte sich herumgesprochen, ihr Klippfisch in Rahmbrühe mit Pfeffer, Muskatblumen und Petersilien zählte zum delikatesten in der Stadt. Die weißen Tischtücher waren inzwischen durch dunkelblaue ersetzt worden – die Leute ohne Flicken auf dem Rock kleckerten beim Essen kaum weniger als die aus den Buden, Hinterhöfen und kleinen Werkstätten.
«Holla, wen haben wir da?» Jakobsens fröhliche Stimme dröhnte im Bass, was zum Umfang seines Leibes passte. «Madam Rosina und ihr Monsieur. Welche Ehre. Darf ich dich noch umarmen, Mädchen?», fragte er und drückte sie schon an seine breite Brust. «Ist er immer noch ein guter Ehemann, oder soll ich mal mit ihm in den Hof gehen? Na, ich seh schon, der junge Herr hat dir nicht geschadet. Du siehst prächtig aus.»
Seine schwere Hand schlug auf Magnus’ Schulter, ein Gunstbeweis, den er eleganten Männern sonst vorenthielt.
Rosina seufzte glücklich. Sie sah sich um, erkannte das eine oder andere vertraute Gesicht und hob winkend die Hand. Auf Jakobsens laute Begrüßung war der Lärmpegel der Stimmen für einen Moment schlagartig gesunken, viele Köpfe hatten sich nach ihnen umgedreht. Einige nickten ihr zu, doch niemand stand auf, um sie zu begrüßen, wie es in früheren Jahren geschehen wäre. Ihr nächster Seufzer fiel weniger glücklich aus. Aber die Leute würden sich an ihren neuen Stand gewöhnen, so wie sie sich daran gewöhnte.
Als Jakobsen sie zu den hinteren, mit den Tüchern gedeckten Tischen führen wollte, lachte Rosina.
«Das könnte dir so passen, Jakobsen. Was sollen wir da? Dann hätten wir auch in den Ratsweinkeller gehen können, nein, wir wollen hier vorne an dem Tisch beim Tresen sitzen, wo ich immer gesessen habe.»
Diesmal drückte Jakobsen beide an die Brust, Rosina mit der Rechten, Magnus mit der Linken, ließ danach einen noch ziemlich reinen Lappen über das alte Holz der Tischplatte sausen und sah, die Fäuste in die Seiten gestemmt, wohlgefällig grinsend zu, wie Rosina und Magnus auf die Bank rutschten. Er hängte ihre Umhänge an zwei Haken nicht zu nah bei der Tür, er würde nicht für
alle
seine Gäste die Hand ins Feuer legen, und eine Minute später standen zwei Krüge Bier auf dem Tisch. Ruth brachte aus der Küche einen Korb mit gesalzenem Brot und einen Teller voller kleiner, in Mehl gewälzter und in Butter gebratener Fische. Ihre Begrüßung fiel kaum weniger
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