Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
Hoffentlich nicht allzu tief ...
Er schaltete die Lampe ein und wagte sich langsam näher an den Eingang. Als er seltsame Geräusche hörte, verdoppelte er seine Vorsicht. Millimeter um Millimeter schob er sich – Lampe in der linken, Revolver in der rechten Hand – weiter hinein, stets darauf gefasst, plötzlich angegriffen zu werden. Angeschossen waren diese Bestien noch weitaus bösartiger, und er war hier alles andere als in seinem Element. Es war weitaus gefährlicher als ihm lieb war, aber er musste dieses Fell einfach haben. Als Paar waren sie noch einmal so viel wert.
Die Höhle machte einen scharfen Knick und zog sich dabei so weit zu, dass er sich gerade noch würde hindurchzwängen können – wenn er sich geschickt bewegte. Er hörte die merkwürdigen Geräusche jetzt ganz deutlich, und sie kamen eindeutig aus dem hinter dem Knick verborgenen Teil des Ganges. Es klang wie ein mehrstimmiges, leises Winseln und heftiges Atmen. Am liebsten hätte er zuerst geschossen und dann nachgesehen, aber es war äußerst unklug, in dieser Situation abzudrücken, ohne die Gewissheit zu haben, dass die umherfliegende Kugel auch ihr Ziel finden würde.
Es kostete ihn etliche Zeit und eine Menge Überwindung, bis er es wagte. Aufs Äußerste gespannt, lenkte er Revolverlauf, Lichtkegel und Blick langsam um die Biegung.
Der befürchtete Angriff blieb aus, stattdessen bot sich ihm ein Anblick, der ihn in eine Mischung aus Verblüffung, Erleichterung, Freude und Bewunderung versetzte.
Zurückgezogen in die hinterste Ecke einer kleinen Ausstülpung, die gleichzeitig das Ende der Höhle bildete, stand die Wölfin mit gesträubten Nackenhaaren und knurrte ihn drohend an. Besser gesagt: Sie versuchte zu stehen und zu knurren. Denn ihr mit Blut bedeckter, zitternder und schwankender Körper, den sie offenbar mit letzter Kraft in diese Position zwang, ließ dies eher verzweifelt denn bedrohlich aussehen. Sie sah nicht so aus, als ob sie noch in der Lage wäre, die kurze Entfernung zu ihm zurückzulegen – was ihn sehr erleichterte. Wahrscheinlich war sie auch so geblendet, dass sie noch nicht einmal wusste, wo er genau war.
Der Grund für seine Verblüffung und seine Freude war aber ein anderer: Um die zittrigen Läufe der Wölfin, unter ihrem Bauch und hinter ihr drängten sich drei magere Junge. Er vermochte ihr Alter nicht zu schätzen, denn er war noch nie zuvor auf eine Wölfin mit Jungen gestoßen, geschweige denn, dass er schon einmal einen so jungen Wolf erlegt hatte. Aus dem Zustand der Zitzen ihrer Mutter schloss er aber, dass sie zumindest bereits entwöhnt sein mussten. Alle hatten ein Fell derselben einmaligen Färbung und Qualität wie das, was er bereits im Rucksack verstaut hatte, und alle waren zumindest schon groß genug, um diese beiden Trophäen hervorragend zu ergänzen.
Er hatte zwar noch nie einen Jungwolf abgezogen, aber dies schien eine einmalige Gelegenheit dazu zu sein. Außerdem würde sich seine Prämie damit mehr als verdoppeln; von der drohenden Gefahr, die von diesem Raubzeug ausgehen würde, wenn sie einmal groß wären, ganz zu schweigen. Ohne ihre Mutter würden sie ohnehin nicht überleben; da war es besser, sie gleich zu töten.
Aber zuerst galt es, die Wölfin auszuschalten. Da sie ihm ihr Gesicht zugewandt hatte, visierte er den Punkt zwischen ihren Augen an. Diesmal würde sie ihm nicht mehr entkommen, diesmal nicht. Ihm war zwar nicht ganz wohl dabei, in dieser engen Höhle zu schießen, aber es musste einfach gut gehen, nur dieses eine Mal, die Jungen würde er vielleicht auch so greifen können. Er suchte den Druckpunkt und ...
Nichts geschah.
Der Finger, der sonst ruhig durchzog, ohne den Lauf auch nur geringfügig aus seiner Richtung abzulenken, rührte sich keinen einzigen Millimeter. Während er über die Zielvorrichtung des Revolvers in die bereits getrübten Augen der Wölfin sah, verharrte sein Zeigefinger dort eine volle Minute ... zwei Minuten ... drei ... kein Schuss. Nur das schwache, erstickte Knurren der Wölfin und das leise Winseln der Jungen waren zu hören, die sich eng bei ihren Beinen hielten.
Endlich löste er sich aus seiner Erstarrung, wandte sich ab von diesem Blick, den er nicht länger ertragen konnte, und atmete tief durch. Fassungslos betrachtete er seinen Zeigefinger, dann wanderte sein Blick zwischen der Wölfin, den Jungen und dem Revolver hin und her.
Er ... er konnte es einfach nicht! Es ging einfach nicht ...
Er wusste nicht, weshalb er
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