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Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Titel: Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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wie eine Landung in einer engen Schlucht voller Geröll. Sie würden sich sicherlich prächtig amüsieren an diesem Abend und den Kerl für verrückt erklären. Wie sollten sie ihn auch verstehen? Keiner von ihnen war mit ihm in dieser Höhle gewesen ...
    Sollten sie doch über ihn lachen, es kümmerte ihn nicht, jetzt nicht mehr.
    Sein ganzes Denken konzentrierte sich darauf, Antworten zu finden – Antworten auf Fragen, die er sich vorher nie gestellt hatte und die nun anklagend in seinem Kopf herumwirbelten: Warum hatte er das tun wollen? Warum hatte er den Wolf erschossen? Warum den Luchs zuvor?
    Warum?
(Frank Simon; Wolf Magazin, Weihnachten 1992)
     
     

Stormchasers Tod
    Shiiha war schon seit Stunden von einem unguten Gefühl geplagt worden und daher doppelt so aufmerksam wie sonst. Gerade in dieser Zeit, mit dem kleinen Kalak an ihrer Seite, auf den sie ständig aufpassen musste. Vorsichtig begutachtete sie den Wechsel. Und da, schon ein paar Tage alt, aber immer noch gut zu erkennen, waren sie: die Fährten der Langzähne! Sie zogen einige Dutzend Schritte auf dem alten, bekannten Wechsel ihrer Art dahin. Der Geruch war schon fast verflogen, aber sie nahm immer noch eine beunruhigende Witterung, diesen nassen, leicht beißenden, nach Blut riechenden Duft in sich auf. Auch die Größe der typischen Langzahn-Fährten variierte. Einige waren ein wenig kleiner, ihr Verlauf nicht so zielgerichtet. Immer wieder trennten sich die etwas kleineren Spuren von den größeren, verschwanden hinter Brombeerbüschen und den hohen Tannen, kamen wieder zum Vorschein, schlössen sich den großen wieder an. Sie blickte auf. Kalak sprang hin und her, knabberte an den Blättern der Büsche, untersuchte jeden Baum, drehte seine großen Ohrmuscheln mal in diese, mal in die andere Richtung. Ein Eichhörnchen flitzte eine große Tanne hinauf. Erschrocken beendete Kalak seine kleine Exkursion und war mit einem kräftigen Sprung wieder an Shiihas Seite.
    Mit einem kleinen Knuff ihres Äsers maßregelte sie ihn. Er war kräftig und zeigte schnelle Reaktionen. Aber ein Eichhörnchen war keine Gefahr.
    Andere Lebewesen in den Wäldern waren viel bedrohlicher. Wieder sicherte sie einmal rundum, senkte erneut ihren Kopf den alten Langzahn-Spuren zu und der kleine Kalak folgte ihr, schnüffelte interessiert an den halbverfallenen Spuren im Waldboden ...
    ... und sprang erschrocken zurück, rempelte seine Mutter an, fiel fast von seinen überlangen Beinen und suchte wieder Schutz bei ihr. Etwas hatte ihn an dem Geruch der neuen, ihm unbekannten Spuren erschreckt. Unbekannt, bedrohlich und gefährlich rochen sie und auch die gespannte Aufmerksamkeit seiner Mutter ängstigte das kleine Hirschkalb nun. Es hing mit diesen dunklen Fährten zusammen, was seine Mutter, und nun auch ihn, so unruhig machte. Auch die Langzähne hatten nun Junge. Die kleinen Trittsiegel bewiesen es Shiiha. Auch die Feinde ihrer Art zogen nun ihre Kälber groß. Doch diesen Kälbern wurden keine saftigen Wiesen gezeigt, nicht die weiche, schmackhafte Rinde der jungen Bäume und die zarten Blättertriebe der Büsche waren ihre Nahrung. Sie suchten nun ebenfalls Futter für ihre Jungen, und das Futter für die halbstarken Langzähne konnte, wenn sie nicht aufpasste, schnell ihr kleiner, lebensfroher Kalak werden!
    Weiter folgte sie dem Wechsel, bewegte sich zielsicher den nun langsam steiler werdenden Abhang ins Tal hinab. Kalak drängte sich nun schutzsuchend an ihre Seite, hatte seine Exkursion abgebrochen. Auch er war nun alarmiert, wusste noch nicht so genau warum, aber die gespannte Haltung seiner Mutter ließ ihn nun auch vorsichtiger sein. Als sie die Lichtung erreicht hatten, drückte sie ihr Kalb in eine kleine Mulde hinter einem Busch. Kalak wehrte sich nicht dagegen, auch wenn ihn seine Mutter nun für kurze Zeit verlassen würde. Aufmerksam überblickte sie die große Lichtung, prüfte den Wind und die Bewegung der Grashalme, observierte den dichten Wald am anderen Ende der Freifläche. Dann trat sie ein paar Schritte aus der Deckung, blickte nun auch nach links und rechts, sicherte erneut. Zu viel stand nun auf dem Spiel. Die Luft roch sauber und die Grasfläche zeigte keine Anzeichen von Gefahr. Nun trat sie weiter vor, knabberte ein wenig am saftigen Gras, begutachtete erneut die Waldränder, befand den Platz jetzt endlich für sicher und stieß einen kurzen, leisen Fieplaut aus. Wie ein Pfeil von der Sehne schnellte Kalak aus seinem Versteck, übersprang

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