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Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Titel: Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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kleinen, roten Punkte, die ihre Abdrücke im Schnee begleiteten, zeigten ihm, dass er sie leicht würde einholen können.
    Er blickte noch einmal forschend in die Richtung der Fährte, dann kehrte er zu dem erlegten Wolf zurück. Wirklich ein Prachtexemplar: groß, im besten Alter und mit einem wahrhaft exzellenten Fell. Die neue Munition hatte – wie es die Werbeanzeige versprochen hatte – nur ein winziges Loch hinterlassen, das man leicht ausbessern konnte.
    Es dauerte nicht lange, das Fell abzuziehen, vorzubehandeln und fachmännisch zu verstauen. Den Kadaver warf er ins Gebüsch, um die Spuren zu verwischen. Der blutgetränkte Schnee erwies sich als hartnäckiger, aber die Kälte und eine entsprechende Menge frischen Schnees taten ihre Wirkung. Zumindest aus dem Flugzeug würde man kaum mehr etwas sehen könne. Das alles geschah rasch und routiniert, denn er brannte darauf, die Wölfin zu verfolgen. Er hasste es, wenn ihm etwas entkam, auf das er bereits geschossen hatte.
    Die Blutspur wurde dünner und dünner, bis sie schließlich ganz abbrach. Anscheinend hatte sich eine Kruste auf den Wunden gebildet. Trotzdem wirkten sich die Verletzungen und der Blutverlust merklich auf ihr Tempo aus. Seltsam war nur, dass die Wölfin, ohne innezuhalten und scheinbar so schnell, wie sie noch zu laufen vermochte, weiterhin auf die kleine Bergkette zuhielt, die bereits seit einer ganzen Weile ihr Ziel zu sein schien. Er hatte erwartet, dass sie – wie fast alle anderen Tiere in dieser Situation – nach einer Weile, in der sie sich in Sicherheit glaubte, stehen bleiben und sich niederlegen würde, um sich auszuruhen und ihre Wunden zu lecken. Er hatte mehrere Stellen gefunden, an denen die Wölfin kurz gelegen haben musste, aber nur, weil sie im Laufen eingeknickt und gestürzt war. Dieses Verhalten war ihm neu.
    Seine Bewunderung für ihre Ausdauer stieg mit jeder Minute, die er – das Gewehr im Anschlag und sorgfältig spähend – der immer unregelmäßigeren und torkelnderen Fährte folgte. Die Wunden schienen ob der Bewegung immer wieder aufzubrechen, denn Abdrücke mit Blut wechselten sich mit solchen ohne ab.
    Der Schnee lag hier tiefer, und es kostete ihn erhebliche Anstrengungen, sein Tempo beizubehalten. Als er schließlich erschöpft innehielt und sich umsah, bemerkte er, dass er praktisch unmittelbar vor der kleinen Bergkette stand. Das hieß, sie hatten etwa fünfzehn Meilen zurückgelegt, ohne dass ihm dies bewusst geworden war. Diese Tatsache versetzte ihn in schieres Erstaunen. Er hatte eigentlich erwartet, bereits nach kurzer Zeit den Revolver für den Gnadenschuss ziehen zu können. Anscheinend hatte er sie doch nicht so schwer verletzt, wie er angenommen hatte. Oder es gab etwas, das er nicht kannte, das aber dieses entkräftete und verletzte Tier mit unbändigem Willen immer weiter vorantrieb.
    Die Tatsache, dass die Spur mehr und mehr in ein Kriechen überging, gab ihm mehr Kraft. Sie musste bereits viel Blut verloren haben. Es konnte nicht mehr allzu weit sein.
    In der Tat endete die Fährte schon kurze Zeit später – im Eingang einer kleinen Felshöhle, in die die Wölfin gelaufen war. Er stieß seine schlimmsten Verwünschungen aus, während er die Höhle vorsichtig umschritt. Wenn sie sich dort hinein zum Sterben zurückgezogen hatte, war die ganze Mühe umsonst, das kostbare Fell verloren. Wenn es doch wenigstens eine Erdhöhle gewesen wäre, da hätte er sie vielleicht noch ausgraben können. Aber der harte Granit ließ solche Gedanken erst gar nicht aufkommen, und zum Hineinkriechen würde sich die Höhle aufgrund des bereits sehr engen Eingangs sicherlich auch nur sehr bedingt eignen. Ganz zu schweigen davon, dass er keine Lust hatte, Kopf voran in die Reichweite ihrer Zähne zu kriechen ...
    Er wartete fast drei Stunden, ehe seine Geduld endgültig aufgebraucht war. Dann lehnte er das Gewehr an einen Baum, wühlte die starke Stablampe aus seinem Rucksack, zog seinen Revolver und näherte sich vorsichtig dem Eingang der Höhle. Zur Sicherheit feuerte er aus einiger Entfernung drei Schüsse in verschiedene Richtungen hinein. Damit – so war er sich sicher – hatte er einem eventuellen Überraschungsangriff einer vielleicht knapp hinter dem Eingang lauernden Wölfin ein rasches Ende bereitet. Doch kein Laut war zu hören, noch nicht einmal ein Querschläger oder ein wenig Gesteinsstaub drangen aus der dunklen Öffnung. Vermutlich lag sie bereits verendet irgendwo im engeren Teil der Höhle.

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