Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)
seinem Wesen helfen sollte, sicher durch das „Große Licht“ zur „Ewigen Wölfin“ zu gelangen und ihm auch den Abschied von seinem Rudel erleichtern sollte. Sie erzählte von seinen Taten auf dieser Welt. Von seinem tollkühnen Angriff auf das Hirschkalb, von seinem Kampf mit der Hirschkuh. Aber auch von seinem glänzenden Fell, seinen wachen Sinnen und seinem kräftigen Heulen. Dieser Part war auch eine Bitte an die „Ewige Wölfin“, Stormchaser in ihrem Reich willkommen zu heißen.
(Carsten Corleis; Wolf Magazin 3/99)
Was weißt du über sie?
Irgendetwas in dem wohldurchdachten Gebilde aus Metall, Keramik, Gummi und Kunststoff funktionierte nicht mehr so, wie es sollte. An irgendeiner Stelle der komplizierten Maschinerie lief etwas gründlich schief. Es war nicht zu überhören. Das seltsame, unheimliche Geräusch war plötzlich und ohne Vorwarnung aufgetreten.
„Oh nein!“, dachte sie. „Nicht jetzt! Und vor allem nicht ausgerechnet hier!“
Sie überflog die wenigen Überwachungsinstrumente, die das altmodische Armaturenbrett bot, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen. Alle Zeiger standen dort, wo sie während der letzten zweihundertdreißig Meilen auch gestanden hatten, und auch keine der eingestaubten Warnlampen war aus ihrem Dämmerschlaf erwacht. Und doch schien der Motor, der bisher klaglos seinen Dienst verrichtet hatte, nun einen Teil seiner nicht unerheblichen Kraft darauf zu verwenden, sich selbst zu zerstören. Das ständig lauter werdende Geräusch ließ daran kaum einen Zweifel. Man konnte es jetzt auch riechen.
„Halt durch! Wenigstens noch ein paar Meilen!“
Sie trat das Gaspedal ein wenig weiter durch, um die abfallende Motorleistung auszugleichen. Doch das Resultat war nur noch mehr Krach und Gestank. Einen kurzen Moment lang war das Kreischen gequälten Metalls zu hören, dann erschütterte ein dumpfer Schlag die gesamte Karosserie. Noch ehe sie sich von dem Schreck erholt hatte, begann der schwere Wagen sich über die blockierenden Vorderräder hinaus aus der Kurve zu schieben. Sie hatte keine Gelegenheit mehr zum Gegenlenken. Es hätte auch nichts genutzt. Unerbittlich verschwanden die letzten Meter des schneebedeckten Forstweges unter der dampfenden Motorhaube. Die Zeit schien sich zu dehnen, als der Wagen einen kleinen Schneewall durchbrach und sich dem steil abfallenden Hang dahinter zuneigte. Sie schaffte es gerade noch, einen Schrei des Entsetzens auszustoßen und die Arme vor dem Gesicht zu verschränken, bevor ein mächtiger Stamm die herabstürzende Masse angerosteten Blechs abrupt zum Stehen brachte.
Das Erste, was sie spürte, war schneidende Kälte. Und die Schmerzen. Als sie die Augen öffnete, fiel ihr Blick auf eine grotesk anmutende Komposition aus verbogenem Metall, Glassplittern, Schnee, Holz und Dampf, der irgendwo weiter vorn zischend aus den Überresten des Motors herausströmte.
Noch immer benommen versuchte sie sich zu erinnern, was eigentlich geschehen war.
Sie hatte ihren Vater besuchen wollen, der abseits jeglicher Zivilisation in einer Art Blockhütte wohnte. Vor fünf Monaten, kurz nach dem Tod ihrer Mutter, hatte er sie mit dem Plan überrascht, der Großstadt den Rücken zu kehren und in irgendeinem abgelegenen Teil des Landes ein – wie er sagte – „natürliches“ Leben zu führen. Er hatte seinen Job gekündigt und war in den Norden gefahren, wo er ein kleines Stück Land gekauft und die Hütte gebaut hatte, in der er seither lebte. Allein, denn es war ihr nicht im Traum eingefallen, diesen Schwachsinn mitzumachen. Sie wollte auf den Komfort ihrer Apartmentwohnung ebenso wenig verzichten wie auf das Stadtleben.
Ihr liefen bereits bei dem Gedanken an diese unbarmherzige Wildnis Schauer über den Rücken. Und doch hatte sie sich einen Wagen gemietet, um ihn zu besuchen. Seine Briefe klangen in letzter Zeit so seltsam, so verändert. Sie machte sich ernsthafte Sorgen um ihn.
Sie hatte ihn überraschen wollen, um einmal nach dem Rechten zu sehen. Es war nicht schwierig gewesen, dem Plan zu folgen, den er ihr bereits vor einiger Zeit geschickt hatte. Sie hatte die Forststraße problemlos erreicht und auch die kleine Abzweigung in das Gebiet gefunden, das er zu seiner neuen Heimat erkoren hatte. Auf der Landkarte war es nur ein namenloses Stück Wald in den Bergen, weit ab von jeder menschlichen Siedlung. Doch er bezeichnete es in seinen Briefen als „einmalig“ und machte seltsame Andeutungen darüber, wie faszinierend es
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