Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
Vom Netzwerk:
verschlissene Möbel, verdorrte Pflanzen. In der Küche und im Wohnzimmer Reste von vergammelten Lebensmitteln, etliche Pizzaschachteln und Behältnisse, in denen man italienische oder chinesische Küche mit nach Hause nehmen oder liefern lassen konnte. Getrockneter Reis und steinharte Krusten sprachen dafür, dass die Sachen schon länger da standen.
In den Büroräumen herrschte eine gewisse Ordnung. Koskas Büro war leicht auszumachen, eine Wand war förmlich tapeziert mit Fotos, immer wieder Maren, vom Baby bis zur jungen Frau irgendwo am Wasser, vielleicht in Florida. So jedenfalls hatte sie vor neun Jahren ausgesehen. Aus den letzten Jahren gab es keine Bilder.
Keine Spur von Leben, auch keine vom Tod, nicht im Erdgeschoss. Die Treppe ins obere Stockwerk knarrte unter unseren Tritten. Hinter mir hörte ich Jochens gepressten Atem und sein Flüstern: «Scheiße, Mann, ich hab ganz feuchte Hände. So kann ich nicht abdrücken, wenn es nötig wird.»
Es wurde nicht nötig. Verlassene Zimmer und das Bad, vor dreißig Jahren mochte es als komfortabel gegolten haben, jetzt war es nur noch alt und verwohnt. Abgesprungenes Email in der Wanne, ein Riss im Waschbecken, den die Zeit schwarz gefärbt hatte. In einem Schlafzimmer war das Doppelbett längere Zeit benutzt worden, ohne die Wäsche zu wechseln. Das Bettzeug roch nach Schweiß. Das Bett in Marens Jugendzimmer war nur verstaubt. Darüber hing ein Poster vom Herzen Jesu und über der Tür ein gekreuzigter Jesus.
Jochen schüttelte ungläubig den Kopf. Ich öffnete den Schrank, darin hingen noch etliche Sachen, die ich aus jungen Jahren kannte, auch das aufregende rote Kleid, das sie bei der Abschlussfeier im Gymnasium getragen hatte. Ich sah sie noch einmal darin vor mir mit heruntergezogenem Oberteil und geschürztem Rock – ohne Unterwäsche, hörte sie im Geist sagen:
«Schau dir alles noch einmal gut an, Konni. Das sind Dinge, die du nie wieder anfassen wirst.»
Und ich dachte, diesmal hätte sie Recht. Ich glaubte nicht, dass ich sie noch einmal anfassen könnte, höchstens die Hände um ihren Hals legen und zudrücken, ganz langsam, mich an ihrer Todesangst weiden. Mit der Vorstellung von Ella im Kohlenkeller könnte ich das, dachte ich. Ich hatte Maren nie vorher so verabscheut.
«Komm», sagte Jochen, «letzte Woche hätte sich das vielleicht gelohnt. Jetzt können wir uns nur noch eine Menge Ärger einhandeln. Machen wir, dass wir wegkommen.»
Auf dem Rückweg einigten wir uns darauf, die weißen Krümel im Keller an Ort und Stelle zu belassen und unsere Stippvisite nicht zu erwähnen. Ungesehen von den unsichtbaren Kollegen kamen wir zurück zu meinem Auto. Jochen hatte seinen Wagen sicherheitshalber noch weiter weg geparkt. Ich denke, wir waren beide gleichermaßen unzufrieden, aber auch ein wenig dankbar, dass wir bei unserem Ausflug nicht über Rex oder die Ratte gestolpert waren.
Kurz nach vier war ich wieder daheim. Hanne hatte mit Unmengen von Kaffee und etlichen Zigaretten am Küchentisch auf mich gewartet. Neben der Erleichterung war ihr Blick eine einzige Frage. Ich schüttelte nur den Kopf, und sie biss sich auf die Unterlippe. «Wo können sie Ella denn hingebracht haben?»
Es war eine rhetorische Frage, doch zum ersten Mal schwang darin viel Unsicherheit mit. Vielleicht begann Hanne erst jetzt, sich mit der Tatsache auseinander zu setzen, wie zerbrechlich das Leben ganz allgemein war.
Ich legte mich ins Bett. Sie blieb in der Küche. «Ich kann jetzt doch nicht mehr schlafen.»
Ich konnte sehr wohl und schlug mich bis zum Morgen in Koskas Keller mit einem Dutzend zähnestarrender Ungeheuer herum. Sie rissen mir den Arm ab, und Maren stocherte mit einem Zweig in der offenen Wunde herum. Als Hanne mich um sieben Uhr weckte, weil ich den Wecker nicht gehört hatte, spürte ich tatsächlich den Schmerz im Arm. Vermutlich hatte ich falsch darauf gelegen.
Nach dem Frühstück verhandelte ich eine geschlagene Stunde mit ihr. Sie musste nicht in die Praxis, hatte in aller Herrgottsfrühe mit ihrem Chef telefoniert, ein paar Tage Urlaub erpresst und auch bekommen. Es wäre mir lieb gewesen, sie hätte diese Tage mit Oliver in der Nähe von Hannover verbracht. Die Wohnung ihrer Mutter war wieder frei, für die Aussöhnung mit Siegfried hatte Bärbel diesmal nur drei Tage gebraucht.
Aber Hanne weigerte sich. «Ich gehe hier nicht weg, solange ich nicht weiß, was mit Ella ist. Und solange das Weib in deiner Nähe ist, gehe ich sowieso nicht.»
Ich

Weitere Kostenlose Bücher