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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Zusicherung, morgen früh kämen zwei Spezialisten aus Düsseldorf, einer davon sei psychologisch geschult.
Wir warteten noch zwei Stunden. Auf Koskas Grundstück rührte sich nichts. Thomas Scholl meldete in zehnminütigem Abstand, bei Godberg sei alles dunkel. «Die schlafen vermutlich längst.»
Der Chef fand, wir brauchten auch eine Mütze voll Schlaf. Er fuhr nach Hause, ich auch, nachdem ich meine Dienstwaffe aus dem Schreibtisch geholt hatte. Rudolf zog ein Nickerchen an seinem Schreibtisch vor. Davon bekam man zwar einen steifen Nacken, blieb aber für die Leute im Einsatz erreichbar. Nur für den Fall, dass sich in den nächsten Stunden doch noch etwas tat.

VIERTER TEIL
DIE LETZTEN TAGE
    Wie in der vergangenen Nacht lag Hanne im Bett, als ich die Wohnung betrat. Olli schlief in seinem Zimmer, ich setzte mich für ein paar Minuten zu ihm auf die Bettkante, ohne ihn zu wecken, schaute ihn nur an, das kleine, entspannte Gesicht, den Haarschopf auf dem Kissen, seine linke Hand dicht vor den Lippen, fast so, als wolle er am Daumen nuckeln. Und irgendwie wachte Hanne davon auf. Vielleicht hatte sie auch meinen Schlüssel in der Wohnungstür gehört.
    Sie kam zur Tür des Kinderzimmers. «Warum kommst du nicht ins Bett, Konrad? Ist was passiert? Warst du nochmal bei ihr?»
    «Nein», sagte ich nur.
«Hast du was zu Abend gegessen, ich kann dir …» Ich erinnerte mich, um die Mittagszeit in ein Mettbrötchen gebissen zu haben. Aber mein Magen war randvoll mit blutigem Gips. Ich schüttelte den Kopf und unterbrach sie damit.
    «Du bist ganz grau», stellte Hanne fest.
So fühlte ich mich auch.
«Komm ins Bett», sagte Hanne.
«Ich muss nochmal weg.»
    Rudolf mochte darüber denken, wie er wollte. Mich ließ der düstere Kasten nahe der Boelcke-Kaserne nicht los. Wozu die Mühe, ein Versteck im Wald vorzubereiten, zweimal täglich hinzufahren, eine Kiste freizulegen und eine Frau zu versorgen, was jedes Mal eine gewisse Zeit in Anspruch nähme, wenn ein Haus zur Verfügung stand, an dem man nur die Rollläden runterlassen musste? Wozu Gefahr laufen, dass Spaziergänger, ein Förster, Jäger oder Waldarbeiter auf ein aus der Erde ragendes Rohr oder sonst etwas aufmerksam wurden? So große Waldstücke gab es in der näheren Umgebung gar nicht. Dass Ella am Sonntag in ein anderes Versteck gebracht worden war, glaubte ich auch nicht. Einen Kerl, der mit einem Kopfnicken veranlasste, dass eine Frau angeschossen wurde, kümmerte es doch nicht, was sonst noch mit ihr geschah.
    «Wohin?», fragte Hanne.
«Nicht zu Maren», sagte ich.
«Wohin dann?»
Ich wollte es ihr nicht sagen. Aber ich konnte es ihr auch nicht verschweigen. Dafür, dass Oliver heil nach Hause gekommen war, hatte Ella leiden müssen. Vielleicht konnte sie ihren Arm wirklich nie mehr richtig gebrauchen. Ich war kein Arzt, kannte mich nicht aus mit komplizierten Armbrüchen und Schusswunden. Hanne wusste auch nicht genau, was passieren könnte, wenn in unsachgemäßer Weise in den Heilungsprozess eingegriffen wurde. Kein Gericht der Welt würde uns dafür verantwortlich machen. Aber das änderte nichts.
    Ich hatte eine ganze Woche Zeit gehabt, meinem Sohn aufmerksam zuzuhören. Hätte ich mich nicht stattdessen mit Maren und meinem schlechten Gewissen beschäftigt, hätte ich vielleicht rechtzeitig die richtigen Schlüsse aus seinen Andeutungen und dem Albtraum gezogen. Dann wäre das LKA Düsseldorf schon in der vergangenen Woche aktiv geworden. Man hätte die beiden Kerle überwacht und geschnappt und Maren festgenommen. Ella läge längst in einem sauberen Klinikbett und bekäme die medizinische Betreuung, die sie brauchte.
    «Du bist verrückt», protestierte Hanne, als ich in die Küche ging, um mir einen starken Kaffee zu machen. «Konrad, sei vernünftig. Du bist völlig erledigt. Schau dich doch an. Bitte, um Gottes willen, du kannst da nicht allein rein. Wenn einer von den Kerlen da ist, oder vielleicht beide, sie bringen Ella um und dich gleich mit. Tu mir das nicht an.»
    «Wenn überhaupt», sagte ich, «dann nur allein. Kannst du dir nicht vorstellen, was passiert, wenn da das SEK anrückt? Ich gehe kein Risiko ein.»
    Sie blieb bei mir in der Küche, bis ich wieder fit genug war, um geradeaus zu sehen. Sie trank ebenfalls Kaffee, bis ihr die Hände davon zitterten, rauchte, was sie seit Beginn der Schwangerschaft nicht mehr getan hatte. Und sie atmete, als seien ihre Lungen mit glühenden Kohlen gefüllt. Als ich vom Stuhl aufstand und meine

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