Mit den Augen eines Kindes
mich tatsächlich für einen Mann, der aus trüben Erfahrungen eine Lehre zieht und denselben Fehler nicht zweimal macht. Ob ich davon so überzeugt war wie sie – ich weiß es nicht. Aber mit Maren in weiter Ferne und einer blutjungen Frau in meiner unmittelbarer Nähe, die mich für wert befand, geliebt zu werden, offen und ehrlich geliebt, nicht verrückt oder besessen, lohnte es nicht, sich den Kopf zu zerbrechen, was geschehen könne, wenn.
An Hannes Seite erholte ich mich langsam, Magen, Blutdruck und Kopf, alles kam wieder in den grünen Bereich, das gespannte Verhältnis zu meiner Familie ebenso, dafür sorgte sie auch. Meine Brüder fanden sie übereinstimmend einsame Spitze. Vater war stark beeindruckt von ihrer Tüchtigkeit und sehr angetan von der Aussicht, in Zukunft nicht mehr mit jedem Zipperlein zum Arzt gehen zu müssen. Mutter hielt Hanne anfangs für zu jung, erkannte jedoch schon beim zweiten Kaffeenachmittag mit selbst gebackenem Käsekuchen, dass Jugend in bestimmten Fällen nur von Vorteil sein konnte. Sollte sich dieses verfluchte Weib jemals wieder in der Heimat blicken lassen, wäre sie im Vergleich mit Hanne ja eine alte Frau.
1997 bis zum Frühjahr 2003
Nach sechs Monaten schlug Hanne vor, ich solle meine Habseligkeiten in ihr Apartment bringen, da könne ich auch mietfrei wohnen und wir beide feststellen, ob es im Alltag mit uns funktionierte. Das tat es, trotzdem blieb ich bei meinen Eltern gemeldet. Zu Anfang nur, damit Hanne keinen Ärger mit ihrem Vermieter bekam, es war halt ein Einpersonenapartment.
Heiraten wollten wir beide nicht. «Ein Trauschein ist keine Garantie, ohne muss man sich mehr Mühe geben und kann viel Geld sparen, wenn es schief geht», meinte sie. An ihrer Einstellung änderte sich auch nichts, als Oliver sich ankündigte.
Für mich war schon ihre Schwangerschaft ein irres Gefühl. Ich weiß noch, wie es war, als ich sie das erste Mal zu ihrer Gynäkologin begleitete und auf dem Ultraschallgerät seine Konturen sah. Das Köpfchen, die winzige Faust vor dem Mund, die Wölbung seines Rückens. Da wuchs ein Mensch, und ich hatte meinen Teil dazu beigetragen. Schon in dem Moment war Oliver etwas ganz Besonderes für mich.
Und von seinem ersten Atemzug an – natürlich war ich dabei –, er war ein Sonntagskind und der lebende Beweis, dass es nicht nur um Lust und Befriedigung ging. Er war das, was von mir übrig bleiben sollte, wenn es mich eines Tages nicht mehr gäbe. Und dann sollte er immer noch voller Stolz sagen können: «Mein Vater war Polizist.»
Wenn ich bei irgendeiner Sache Zweifel hatte, reichte ein Blick auf ihn, um die Dinge gerade zu rücken. Bevor es ihn gab, war ich einfach nur Konrad Metzner gewesen. Erst Oliver hatte mich auf meinen Platz gestellt und den Tagen, die bis dahin einer wie der andere ohne besonderen Sinn und Zweck vergangen waren, diese Intensität verliehen.
Während ich noch vollauf mit dem Wunder des neuen Lebens beschäftigt war (und in der Dienststelle Kollegen nervte, zuerst mit Abzügen vom Ultraschall, nach der Geburt dann mit Fotos, ich füllte zwei Filme pro Woche und glaube, es hielten mich einige für übergeschnappt,) ging Hanne die Sache pragmatisch an. Das führte dazu, dass ich mich noch einmal mit Dingen auseinander setzen musste, die ich weit hinter mir glaubte. Nein, nicht mit Maren, nur mit Willibald Müller, mit dem sie in den Monaten vor dem Abitur genüsslich Pornoheftchen durchgeblättert hatte.
Von unserem Abiturjahrgang waren nur Porky, Peter Bergmann und ich in Kerpen geblieben. Peter saß in der Kreissparkasse, Schweinchen Dick in der Stadtverwaltung. Er verteilte seine Massen im Amt für sozialen Wohnungsbau. Verheiratet oder sonst wie liiert war er verständlicherweise nicht. Bei seinem Anblick musste jede Frau zwangsläufig befürchten, an seiner Seite elendig zu verhungern. Und irgendwie bildete Müller sich ein, er müsse meine Frauen aufklären. Während unserer Scheidung hatte er sich an Karola herangemacht und sie bis ins kleinste Detail über meine Entspannungsübungen am Gymnasium informiert. Vor Hanne machte er auch nicht Halt.
Kurz vor Olivers Geburt hatte sie sich allein um eine größere Wohnung für uns bemüht, leider vergebens. Danach probierte sie ihr Glück bei Müller, weil das Einzimmerapartment für drei Personen wirklich zu klein war. Der Kinderwagen stand vor der Tür, die Wiege immer im Weg. Porky kümmerte sich intensiv. Nicht um die Wohnung, nur um Hanne. Sie schaffte es
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