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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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geschrieben; wie sollte man es sonst ausdrücken, wenn ein Fünfjähriger in Hörweite ist? Hanne lächelte mich an. «Dann wäre ich genau in der richtigen Stimmung, wenn du nach Hause kommst. Morgen können wir ausschlafen.»
«Jetzt hast du mich überredet», sagte ich.
Um halb acht brachte sie Olli zu meinen Eltern, holte Esther ab und fuhr mit ihr nach Köln. Um acht verließ ich die Wohnung, große Lust hatte ich immer noch nicht. Den Wagen ließ ich stehen, um mir ein paar Bierchen leisten zu können. Ich schlenderte ganz gemütlich – mitten hinein ins Verderben.

ZWEITER TEIL
NOCH EINMAL ZUM ABSCHIED
    Gegen halb neun betrat ich den Saal der Gaststätte und war fast schon der Letzte. Die Tische waren u-förmig aneinander gestellt und eingedeckt. Aber man stand noch in Grüppchen beisammen. Von den Frauen erkannte ich einige auf Anhieb wieder. Bei anderen brauchte ich zuerst den Mädchennamen. Brigitte Talber, die nun Berger hieß, hatte ich zierlich in Erinnerung und sah mich einer fülligen Matrone gegenüber. Bei den Männern war es nicht viel anders. Nur nennt man Bauch und Doppelkinn da eine stattliche Figur.
    Und immer wieder das Schulterklopfen. «Konrad Metzner. Mensch, Konni. Du hast dich ja überhaupt nicht verändert.»
    Ich kam mir ziemlich blöd vor, der Oberprimaner im Kreise der Manager und Macher. Jeder, der Kerpen nach dem Abitur verlassen hatte, war in der Ferne etwas Bedeutsames geworden und wurde nicht müde, seine Wichtigkeit zu offenbaren. Einer leitete ein Kernkraftwerk, behauptete er jedenfalls. Ein anderer nannte sich Radiologe. Und Peter Bergmann wisperte mir zu: «Das klingt nach Röntgenarzt, aber er repariert die Dinger nur, weiß ich von seiner Mutter.» Ein Dritter trainierte Wirtschaftsbosse und Politiker für öffentliche Auftritte. Ein Vierter bildete Sicherheitsfachleute aus und schwärmte von seinem Hobby, er sammelte Oldtimer. Angereist war er in einem älteren Kleinwagen, weil man so kostbare Stücke wie einen vierzigjährigen Mercedes oder einen Bugatti nicht den Risiken der Autobahn aussetzte.
    Schweinchen Dick zu übersehen war einfacher, als ich mir das vorgestellt hatte, obwohl Willibald Müller sich mächtig in Szene setzte. Er beförderte sich kurzerhand zum Amtsleiter. Und Peter fragte: «Sollen wir uns nicht auch befördern, Konni? Du zum Kriminal- und ich zum Bankdirektor.»
    Peter hielt sich an meiner Seite, er freute sich wirklich, dass ich mich über den ausdrücklichen Willen meines Hausdrachens, so bezeichnete er meine Mutter, hinweggesetzt hatte. «Sonst hätte ich hier allein als kleines Würstchen gesessen.»
    Wir setzten uns an ein Ende der Tafel. Aus einem unerfindlichen Grund blieben die Plätze in unserer unmittelbaren Nähe frei. Nachdem auch alle anderen endlich Platz genommen hatten, ging ein großformatiges Foto wie ein böses Omen von Hand zu Hand.
    Unser Jahrgang bei der Abiturfeier. Ich ganz hinten mit so tief gesenktem Kopf, dass man fast nichts von mir sah. Maren in der ersten Reihe, eine überirdische Erscheinung mit dieser wallenden, fast weißen Mähne. Sie trug ein schulterfreies rotes Kleid, sah schlicht aus, war es aber nicht. Das wusste ich noch genau. Das Oberteil war so eng, dass man auf den Atemzug wartete, der es sprengen musste. Und der Rock war geschlitzt fast bis zum Ende des Oberschenkels.
    Von dem Foto lächelte sie mich an – ungefähr so wie Hanne, als sie von Esthers Buch erzählt hatte. Und ich wusste auch noch genau, dass Maren mir damals, als das Gruppenfoto geschossen war und die Horde sich auflöste, einen langen Blick zugeworfen hatte, in den man alles Mögliche und Unmögliche hineininterpretieren konnte. Ihre Stimme klang mir noch im Ohr: «Hast du einen Moment Zeit für mich, Konni? Ich möchte dir etwas zeigen.»
    Dann ging sie zu den Toiletten. Ich natürlich hinterher. Im Mädchenklo streifte Maren das Oberteil ab, schob den geschlitzten Rock auseinander, Unterwäsche trug sie nicht. Und mit einem Gesicht wie aus Eis gemeißelt erklärte sie: «Schau dir das alles noch einmal gut an, Konni. Das sind Dinge, die du nie wieder anfassen wirst.»
    Nun, ich hatte die Dinge danach nochmal angefasst, sogar häufig und über einen längeren Zeitraum. Aber um welchen Preis? Im Geist sah ich sie auf dem Bett im Hotelzimmer liegen, die Zigarette in der Hand, den gelangweilten Blick zur Decke gerichtet. «Du musst das verstehen, Konni. Ich passe einfach nicht mehr hierher. Und wir beide …»
    Sie richtete sich auf,

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