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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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will sie vielleicht doch mal kurz reinschauen.»
Ich war ganz ruhig in dem Moment, absolut ruhig, wirklich. Wie ein Soldat, wenn es nach Wochen der Kriegstreiberei endlich in die Schlacht geht. Man weiß, es wird Verluste geben, auch in den eigenen Reihen. Vielleicht fällt man selbst schon im ersten Gefecht. Aber nur vielleicht, man kann ja auch in Deckung bleiben. Und man darf sich nicht feige verkrümeln, sonst kommt man vors Kriegsgericht. In meinem Fall hätten sich wohl nur ein paar der Anwesenden die Mäuler zerrissen. Ich hätte gehen können nach dem Essen, wie ich es vorgehabt hatte, aber ich tat es nicht. Ich konnte eben nicht. Ich musste wissen, wie sie aussah, ob sie sich sehr verändert hatte in den letzten neun Jahren, vielleicht in die Breite gegangen war wie Brigitte. Ob ich sie jetzt abstoßend fand.
Die Zeit bis zu ihrem Eintreffen nutzte ausgerechnet Porky für eine eindringliche Mahnung unter Freunden. Er kam zu uns ans Ende der Tafel, um meine Verluste in Grenzen zu halten. «Tu dir selbst einen großen Gefallen, Konrad. Kein Wort über Hanne. Sie ist so eine nette Frau, du willst sie doch sicher behalten.» Das sagte Müller natürlich nicht, weil er nicht genau wusste, ob wir immer noch zusammen waren. Das wusste niemand im Saal, höchstens Brigitte, die es möglicherweise von ihrer Mutter gehört hatte.
Der gute Willibald war zwar, nachdem ich ihn aus unserer Wohnung geworfen hatte, einige Male in der Arztpraxis aufgetaucht, um sich von Hanne den Blutdruck oder sonst was messen zu lassen und zu erfahren, ob die junge Mutter inzwischen mit ihrem Kind alleine war. Von Hanne hatte er jedoch keine Auskunft erhalten und von ihrem Chef nur einen Diätplan. Danach hatte er es vorgezogen, wieder zu seinem Hausarzt zu gehen.
Das Gespräch war ihm ziemlich peinlich, musste er doch einräumen, dass er es mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm. Von ihm wusste Maren nämlich nur, dass ich vor neun Jahren in einem schmutzigen Ehekrieg zerbrochen war und seitdem wie ein Einsiedler bei meinen Eltern hauste.
«Jedes Mal, wenn sie anruft, fragt sie, wie es dir geht und was du so machst», erzählte Porky und geriet ins Stammeln.
«Woher soll ich das denn wissen? Ich meine, beruflich hab ich ja nichts mit dir zu tun. Und privat, ich dachte, was geht es sie an, dass du ein Kind mit Frau Neubauer hast? Und nun, wo sie selbst verheiratet ist, man muss ja nicht unnötigen Ärger heraufbeschwören.»
Peter lauschte aufmerksam. Von meiner Scheidung wusste er wohl, hatte das Desaster auf meinem Konto miterlebt. Aber wie ich aus den Miesen wieder rausgekommen und welchen Trost ich gefunden hatte, hörte er zum ersten Mal, und er hätte gerne mehr darüber erfahren. Er war nämlich Patient von Hannes Chef und kannte sie gut.
«Das glaub ich jetzt aber nicht», warf er mit fassungslosem Unterton dazwischen. «Hanne Neubauer und du? Hat aber nicht lange gehalten, was?» Die Antwort gab er sich selbst, meine Mutter hatte ihm schließlich am Freitag den besten Beweis geliefert, dass sie kein weibliches Wesen in meiner Nähe duldete. Und eine tüchtige Person wie Hanne Neubauer ließ sich so etwas seiner Meinung nach nicht bieten.
Porky sah sich nach Peters Erguss in seiner Einschätzung meiner persönlichen Verhältnisse bestätigt und brachte seine Mahnung zum Abschluss mit der Versicherung: «Ich garantiere dir, Konrad, als freier Mann bist du für Maren uninteressant.»
«Da sprichst du aus eigener Erfahrung, was?», fragte Peter.
«Ich meine es nur gut», hielt Porky dagegen.
Und ich sagte: «Danke, Willibald, du hast völlig Recht. Wenn man Ärger vermeiden kann, sollte man das tun.»
    Sie kam kurz nach zehn – nicht gar so aufreizend wie vor neun Jahren, als sie nach der Beerdigung ihrer Mutter in einem schwarzen Badeanzug – sie trug ja Trauer – im Hallenbad aufgekreuzt war. Nun trug sie ein dezentes dunkelblaues Kostüm, der Rock endete direkt über den Knien. Die unverändert weißblonde Mähne war auf Schulterlänge gestutzt und schlicht gescheitelt. Ihr Makeup war so perfekt wie ihr Nagellack.
    Ich saß mit dem Rücken zur Tür und sah sie nicht hereinkommen. Aber ich sah das Gesicht von Porky, dem plötzlich die Lider zu flattern begannen und der Unterkiefer herunterklappte. Sogar seine Tränensäcke gerieten in Bewegung. So schnell das bei seiner Masse möglich war, sprang er vom Stuhl auf, wabbelte um die Tische herum zur Tür und streckte beide Arme aus, als sei ihr Erscheinen allein sein

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