Mit den Augen eines Kindes
Katja nur leihweise am Leib trug. Der rechtmäßige Besitzer war ihr Freund, an und für sich ein großzügiger Mann, solange es nur um Geld ging. Bei Preziosen dagegen war er kleinlich, die reichte er vielleicht von einer Gespielin zur nächsten weiter.
Deshalb habe Katja sich bemüht, mit dem geliehenen Kapital ordentlich Gewinn zu machen und das Schmuckstück sofort wieder auszulösen. Als ihr das nicht gelang, seien ein paar Tränen geflossen und diverse Befürchtungen geäußert worden. Danach habe man sie einige Wochen lang im Kasino nicht gesehen. Vielleicht hatte sie ein Veilchen gehabt oder zuerst ihre Zähne wieder in Ordnung bringen lassen müssen.
Erst Mitte Mai sei sie wieder aufgetaucht, hatte die Angestellte erzählt, und habe dem Croupier eine, wie Andreas Nießen fand, höchst bemerkenswerte Geschichte offenbart. Ihr Freund sei nicht bereit gewesen, sechstausend zu zahlen, wo sie nur fünftausend bekommen habe. Godberg habe jedoch auf stur geschaltet, erst Bares sehen wollen – und zwar die verlangte Summe, ehe er den Schmuck wieder rausrückte. Das habe er auch noch als Großzügigkeit bezeichnet. Er habe schließlich mit Katja einen Zinssatz für zwei Tage vereinbart, sollte er gesagt haben, und nun seien bereits einige Tage mehr vergangen. Erst als ihr Freund seiner Forderung Nachdruck verlieh, sei Godberg scheinbar zur Einsicht gekommen. Es habe sich jedoch schnell herausgestellt, dass er gar nicht den echten Schmuck zurückgegeben habe.
Ob es sich bei besagtem Schmuck um eine Halskette oder sonst etwas gehandelt hatte, wusste Andreas Nießen nicht. Und was er vorbrachte, nannte man Hörensagen, in dem Fall auch noch um drei Ecken. Die von ihm interviewte Angestellte hatte es nur vom Croupier gehört, der es seinerseits von Katja erfahren haben wollte, jedoch nicht bereit gewesen war, das zu bestätigen. Aber mit dem zusätzlichen Hinweis auf einen Goldschmied in der Familie Godberg, den ich schon vor einer Woche von Hanne erhalten hatte – ich hatte nur noch niemandem davon erzählt –, und mit einer in den Garten geworfenen Halskette, die einmal in einer Schmuckkassette und einmal im Safe gelegen hatte, musste man das wohl anders bewerten.
Ich sprach Andreas Nießen meine Anerkennung für seinen Diensteifer aus und verlangte: «Fahren Sie nach Kerpen.»
Begeistert von meinem Ansinnen war er nicht. «Aber wir haben doch keinen Durchsuchungsbeschluss, sollte nicht erst mal Herr Becker mit der Staatsanwaltschaft …»
«Herr Becker ist unterwegs», unterbrach ich ihn. «Und Sie sollen nichts durchsuchen. Sie werden nicht einmal bei Godberg klingeln. Sie reden nur mit seinen Nachbarn. Gegenüber wohnt ein älteres Ehepaar, Kremer heißen sie, die stehen die halbe Zeit am Fenster. Sie haben gesehen, wie Godbergs Auto demoliert wurde. Da war es nur zu dunkel, um den Täter zu erkennen. Fragen Sie nach dem fünften Mai, das war ein Montag. An dem Nachmittag müssen bei Godberg ein Notarzt und ein RTW vorgefahren sein. Der Einsatz der Rettungskräfte ist den Kremers bestimmt nicht entgangen. Vielleicht haben sie auch gesehen, wer vorher zu Besuch war.»
«Das hat Herr Becker doch bestimmt schon …», brachte Andreas Nießen den nächsten Einwand vor.
«Nein, hat er nicht», unterbrach ich ihn erneut und wunderte mich ein wenig darüber, weil die alten Leutchen nicht von selbst eine entsprechende Beobachtung zum Besten gegeben hatten. «Sie tun es, und zwar sofort. Morgen will mein Sohn wieder bei Godbergs spielen. Ich möchte sicher sein, dass er dort sicher ist.»
Mit Hannes Unnachgiebigkeit noch am Frühstückstisch wähnte ich Oliver zu diesem Zeitpunkt beim Mittagessen mit Oma und Opa und hätte darauf geschworen, dass er am Nachmittag vor Sehnsucht nach seinem Freund und einer ausgiebigen Toberei verging, sich aber große Mühe gab, ganz lieb zu sein.
Wie hätte ich denn ahnen sollen, dass Oma und Opa viele gute Worte für ihn einlegten und Hanne es sich mit ihnen nicht verderben wollte? Vielleicht schmolz auch ihr Mutterherz um halb drei unter den treuherzigen Blicken aus dunklen Kulleraugen. Kurz vor drei rief sie Ella an, ließ sich noch einmal bestätigen, dass unser Sohn willkommen und niemand böse auf ihn war. Durften sie nach Lage der Dinge ja auch nicht sein. Und dann fuhr Hanne ihn hin.
Sie wurde noch auf ein Tässchen Kaffee eingeladen, den sie selbst aufbrühen musste, weil Ella mit ihrem eingegipsten Arm so hilflos war. Hanne blieb bis etwa Viertel vor vier. Das Thema Ehebruch
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