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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Oder er habe sich ins Ausland abgesetzt, Südamerika vielleicht. Jeder andere Boden wäre für ihn verdammt heiß gewesen. Die Russenmafia hatte einen langen Arm.
    Jochen war um einiges kleinlauter geworden. «Kannst du dir vorstellen, dass sie sich mit so einem Kerl eingelassen hat?»
    Ich konnte sehr wohl – mit der Erinnerung an ihre Blutergüsse. Aber ich wollte nicht, weil es plötzlich eine Dimension bekommen hatte, von der ich mich erschlagen fühlte. Eine zu Hundefutter verarbeitete junge Frau. Weil ich meinen Sohn hinter einem mickrigen Lattenzaun hocken sah. Und Ella Godberg wurde von zwei Männern in ein weißes Auto gezwungen.
    «Was machen wir jetzt?», fragte Jochen lustlos.
    Die Antwort darauf erübrigte sich. Ich musste sofort zum Chef. Doch ehe ich gehen konnte, klingelte das Telefon auf meinem Schreibtisch. Ich nahm ab und hörte ein dunkles, kitzelndes: «Hallo, Konni.» Darauf folgte ein sinnliches Lachen, das die Härchen auf meinen Unterarmen aufrichtete. Aber Lust war das bestimmt nicht. «Nicht böse sein, dass ich dich doch wieder auf der Arbeit anrufe. Ich kann dich ja sonst nicht erreichen. Hast du ein bisschen Zeit heute Abend?»
    Ich räusperte mich erst einmal, schaute mit einem zweifelnden Blick zu Jochen, der mich mit kaum verhohlener Spannung musterte und lautlos die Frage formulierte: «Sie?»
    Als ich kurz nickte, veränderte sich seine Miene. Ich meinte, seine Gedanken lesen zu können. Na los, du Trottel, bleib am Ball. Oder bringst du das jetzt nicht mehr? Wer bespitzelt wen, dachte ich und fragte ins Telefon: «Wann?»
    «Um acht?», fragte sie.
     
    «Kann ich einrichten», sagte ich. «In welchem
    Zimmer?»
«Sag ich dir, wenn ich es weiß», erklärte sie. «Ich
kümmere mich sofort darum. Wie lange bist du im Büro?» «Bis um fünf, schätze ich.»
«Dann mach dir noch einen geruhsamen Nachmittag»,
empfahl sie, bevor sie die Verbindung unterbrach. Ich schaute Jochen an. «Ich weiß nicht, ob das richtig
ist.»
Das wusste er auch nicht. Und unser Vorgesetzter, mit
dem ich anschließend sprach, wusste es noch weniger.
    Wenn ich befürchtet hatte, mich eventuell lächerlich zu machen oder umgehend aus dem Dienst entfernt zu werden, erwies sich diese Furcht als unbegründet. Es gab kein abfälliges Grinsen und keine Vorwürfe, nur eine Viertelstunde lang geduldiges Zuhören. Dann meinte Kriminalrat Eckert höflich, aber sehr distanziert: «Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine an einer Entführung beteiligte Person zurückblieb, um die Angehörigen zu überwachen.»
    «Es ist aber eine effiziente Methode», sagte ich. Kriminalrat Eckert gestattete sich ein kleines Lächeln. «Aber bedenken Sie das Risiko.»
«Für wen?» Der Gedanke kam mir erst jetzt, aber ich
    hatte ja vorher auch keine Ahnung gehabt, wer Rex sein könnte.
    «Für die zurückbleibende Person oder für das Opfer und die Angehörigen? Wo ist für mich als Täter ein Risiko, wenn ich nicht beabsichtige, Zeugen zurückzulassen?»
    «Nun mal langsam», meinte Kriminalrat Eckert. «Bevor wir über Mord und Totschlag nachdenken, sollten wir erst einmal sicherstellen, ob überhaupt und zu welchem Zweck sich Frau Koska bei Herrn Godberg aufhält.»
    «Das herauszufinden, haben wir gestern Abend doch schon vergebens versucht», erinnerte ich.
Kriminalrat Eckert presste kurz die Lippen aufeinander, zitierte Jochen vor seinen Schreibtisch und ließ sich das Tonband mit Godbergs Stimme vorspielen. Anschließend trommelte er die erste Garde des für Schwerkriminalität zuständigen KK 11 zusammen. Thomas Scholl, vom Wesen her ein Mann wie Jochen, nur etwas jünger, und Helga Beske. Sie war Mitte vierzig und machte den Eindruck einer netten Tante, die den Kindern vor dem Einschlafen Märchen erzählt. Aber das täuschte. Sie ließ sich lieber etwas erzählen, und wenn man dabei auch nur ein bisschen schwindelte, lernte man die nette Tante von einer ganz anderen Seite kennen. Und den Leiter des KK 11, Rudolf Grovian.
Er war ein Mann mit Erfahrung, hatte die fünfzig überschritten, schon einiges erlebt und sich auch schon einiges rausgenommen. Manche sagten, er sei ein sturer Hund. Wenn er sich seine Meinung einmal gebildet hatte, ließ er sich so leicht nicht mehr davon abbringen. Vor ein paar Jahren hatte er die Ermittlungen in einem Mordfall geführt, der für einiges Aufsehen gesorgt hatte. Am OttoMaigler-See war ein Mann erstochen worden, von einer jungen Frau, die dem Anschein nach nicht das geringste Motiv für die

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