Mit den scharfen Waffen einer Frau
verstehe ich“, erwiderte er sanft.
Sie blickte in seine Augen. „Ich habe mich wirklich sehr über den Brief gefreut, den Sie mir damals geschrieben haben.“
Er presste die Zähne fest aufeinander. „Und mir tut es leid, dass ich ihn schreiben musste.“
„Oh.“ Schwach lächelnd sah sie ihn an, streckte den Arm aus und berührte zaghaft seinen. „Mir auch. Ich wünschte, er wäre noch am Leben. Aber das ist er nicht. Trotzdem möchte ich Ihnen sagen, dass Ihr Brief mir sehr geholfen hat. Es war ein großer Trost zu lesen, dass mein Bruder Ihnen und seinen Freunden etwas bedeutet hat.“
Merkwürdig, ihre Worte schienen ihn zu bekümmern. Warum nur, fragte Daisy sich. Es musste ihn doch beruhigen zu hören, dass er ihr durch eine schwere Zeit geholfen hatte. „Mein Bruder hat unentwegt über Sie geschrieben. Darüber, wie er versuchte, Ihnen nachzueifern und von Ihnen zu lernen.“
Jericho wandte den Blick ab, beugte sich vor, nahm einen Ast vom Boden und warf ihn weit weg. „Er hat alles richtig gemacht. Er hatte das Zeug zum Helden.“
Sie wusste, dass Brant sich das immer gewünscht hatte. Sie wusste, dass ihr kleiner Bruder seinem Land treu dienen und einer der besten Marines hatte werden wollen. Das war ihm furchtbar wichtig gewesen. So wichtig, dass er seiner Überzeugung sein Leben geopfert hatte. Obwohl der Schmerz immer noch entsetzlich war, tat Daisy die Nähe zu Jericho gut. Dadurch hatte sie das Gefühl, ihrem Bruder wieder näher zu sein.
Und nur aus diesem Grund bin ich hier. Weil ich schwanger werden will, sagte sie sich. Jericho hatte Brant gekannt und gemocht. Aber er war auch bei der Armee gewesen, die ihr ihren Bruder genommen hatte. War es da nicht mehr als fair, dass sie sich von ihm einen Teil ihrer Familie zurückholte?
Bei dem Gedanken zuckte sie unweigerlich zusammen. Eigentlich gehörte sie nicht zu den Frauen, die schäbige Tricks nutzten, um ihr Ziel zu erreichen. Daher war sie zum Teil auch alles andere als glücklich über ihren Schritt. Denn letztlich versuchte sie einen Mann auszutricksen, damit er ihr ein Kind schenkte. Und das war schlicht hinterhältig.
Aber sie sehnte sich so sehr nach einer Familie, nach einem Menschen, den sie lieben durfte. Hätte sie das Jericho mitten ins Gesicht gesagt, hätte sie bestimmt kein Klar, lass es uns tun! von ihm zu hören bekommen. Nein, es gab nur einen Weg, dass sich die schmerzhafte Wunde schloss, die Brants Tod hinterlassen hatte.
„Wissen Sie eigentlich“, sagte sie nachdenklich, „dass wir uns fast begegnet wären?“
„Wo denn?“
„In Camp Pendleton. Ich habe Brant dort noch einmal besucht, kurz bevor er ausgeschifft ist. Als er mich durchs Camp führte, hatte er Sie zufällig gesehen.“ Sie lächelte bei dieser Erinnerung. Ihr Bruder war so aufgeregt gewesen, so stolz. „Sie sind aus irgendeinem Gebäude gekommen. Brant brannte darauf, Sie mir vorzustellen, doch dann verwickelte ein Colonel Sie in ein Gespräch und ging mit Ihnen weiter. Brant war ziemlich enttäuscht.“
Sie erinnerte sich noch gut daran, wie attraktiv Jericho King damals schon ausgesehen hatte, in seiner Uniform. Groß, schlank und selbst aus der Entfernung enorm anziehend. Jetzt, ein Jahr später, stand sie mit ihm vor seinem Haus. Das Leben geht schon merkwürdige Wege, dachte sie.
„Er hatte eine Menge Freunde in seiner Einheit“, sagte Jericho.
„Er war ein offener Mensch“, antwortete Daisy traurig. „Alle haben ihn gemocht.“
Er nickte schweigend. Als sie an den Kiesweg gelangten, erreichten die goldenen Strahlen der aufgehenden Sonne die Wipfel der Bäume. „Ich mochte Ihren Bruder“, erwiderte Jericho und starrte auf die Berge. „Deswegen werde ich Ihnen jetzt etwas sagen, weil ich glaube, dass Sie es erfahren sollten. Ob Sie es hören wollen oder nicht.“
„Das klingt ja unheimlich.“
Er wandte seinen Blick von den Bergen ab und sah sie direkt an. „Sie gehören hier nicht hin, Daisy.“
„Wie bitte?“ Das hatte sie nicht erwartet. Fragend sah sie ihn an. Die Schatten der Bäume fielen auf sein Gesicht und verliehen seinen Zügen eine Strenge, die seine markanten Züge betonte.
„Sie gehören nicht in die Berge. Das hier ist nicht der richtige Platz für Sie, Daisy.“
Zunächst war sie besorgt, dann wurde sie ärgerlich. Hatte er etwa seine Meinung geändert? Wollte er sie tatsächlich hinauswerfen, ohne ihr eine Chance zu geben? Er wusste doch gar nicht, wozu sie imstande war! Er maß sich tatsächlich
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