Mit den scharfen Waffen einer Frau
Haar. „Also was ist der Plan, JK? Du nimmst sie mit in die Berge, um sie kleinzukriegen?“
Jericho warf seinem Freund einen argwöhnischen Blick zu. War er so leicht zu durchschauen? Würde Daisy herausfinden, dass er nur darauf wartete, ihr dabei zuzusehen, wie sie durch den Survival-Test fiel? Egal. War sie erst einmal ganz auf sich allein gestellt, würde sie aufgeben, noch bevor der Tag zu Ende war. Da war er sich ganz sicher.
„Wieso interessiert dich das?“, fragte er.
Sam war Jerichos ehemaliger Ausbilder. Jetzt warf er ihm einen Blick zu, den Jericho das letzte Mal gesehen hatte, als er in Sams Einheit gekommen war. Nachdem er das Ausbildungslager hinter sich gelassen hatte, hatten sie Freundschaft geschlossen und waren bis heute Freunde. Als Sam nach zwanzig Jahren bei den Marines ausgemustert worden war, war für ihn klar gewesen, dass er nach King Mountain gehen würde.
Der ältere Mann war ruhelos gewesen – zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen, und zu alt, um bei der Armee zu bleiben. Also hatte er sich entschieden, ein Teil von King Adventure zu werden. Der Beitrag, den er zum Aufbau des Camps geleistet hatte, war genauso groß gewesen wie Jerichos. Und obwohl fast zwanzig Jahre Altersunterschied sie trennte, verstanden sie sich hervorragend.
Im Grunde waren sie wie eine Familie. Und auch die anderen Männer, die für Jericho arbeiteten, gehörten dazu. Ein Haufen Kerle, die nicht wussten, wohin sonst sie gehen sollten. Einige von ihnen hatten in vielen Gefechten gekämpft und scheuten Menschenansammlungen. Andere sehnten sich nach Weite und einem Job, in dem es nicht so viele Regeln gab. Aber allen gemein war der Wunsch nach einer Arbeit und einem Zuhause.
„Ich glaube, sie ist ziemlich nett, das ist alles“, sagte Sam. „Und die Vorstellung, dass du sie nur mitnimmst, um ihren Willen zu brechen, gefällt mir nicht.“
Jericho irritierte die Bemerkung seines Freundes. Und das Schuldgefühl, das jetzt sofort wieder in ihm aufstieg, machte die Sache nicht besser. „Verdammt, Sam. Ich dachte eigentlich, du stehst auf meiner Seite. Hast du sie dir mal näher angesehen? Dir muss doch klar sein, dass sie hier nichts zu suchen hat.“
Sam seufzte kurz und schob die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass du versuchst, eine hübsche Frau loszuwerden, weil sie dich nervös macht.“
Nervös beschreibt nicht mal ansatzweise das, was Daisy mit mir macht, dachte Jericho. Aber das würde er verdammt noch mal niemals laut sagen. „Herrgott, ich entscheide für sie, nicht gegen sie.“
„Klar, nenn es, wie du willst. Aber ich kenne dich zu lange, um dir das abzukaufen.“ Sam lächelte und schüttelte wissend den Kopf. „Du hast was für die Kleine da drin übrig, und genau das schmeckt dir nicht. Also wirst du sie lieber los, bevor sie sich hier eingewöhnt.“
Schon wieder ein Treffer, dachte Jericho. Er fragte sich, ob sein Pokerface den letzten Jahren als Zivilist zum Opfer gefallen war. Vielleicht durchschauten ihn aber auch nur die Menschen, die ihm nahestanden.
„Schön, du willst also, dass ich es zugebe? Ja, sie ist ziemlich heiß. Und zwar so heiß, dass ich durcheinander bin, seit sie mir an Tag eins buchstäblich vor die Füße gefallen ist.“ Er blickte finster in die Ferne, wo die Sonnenstrahlen die Wipfel der Bäume erreichten. „Teufel noch mal, sie kommt mir vor wie ein Waldbrand! Aber es ist noch mehr als das. Ich habe gemeinsam mit ihrem Bruder gedient. Der jetzt tot ist. Ich befürchte, ich bin so etwas wie eine Verbindung zu ihm für sie.“
„Ist das denn so schlimm?“, fragte Sam. „Jeder Mensch braucht Verbundenheit, JK. Sie hat ihren Bruder verloren. Glaubst du nicht, dass sie Anspruch darauf hat, etwas von uns zurückzubekommen? Von dir? Schulden wir ihr nicht wenigstens eine Chance?“
Jericho hasste es, belehrt zu werden. Vor allem, wenn derjenige, der es tat, recht hatte.
„Ich hab dich gestern Abend während des Dinners beobachtet“, fuhr Sam leise, fast verständnisvoll fort. „Nebenbei, die Kleine kocht einen Schmorbraten … Jedenfalls ist mir nicht entgangen, wie du sie angesehen hast.“
Na toll, dachte Jericho. Jetzt fantasierte er offenbar schon am Esstisch über Frauen – und alle sahen es ihm an. Noch ein Grund, Daisy zurückzuschicken. Seine viel beschworene Selbstbeherrschung schien nachzulassen, und das musste er verhindern. „Lass gut sein, Sam.“
„Ich gebe dir ja keine Schuld. Sie ist wirklich
Weitere Kostenlose Bücher