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Mit den scharfen Waffen einer Frau

Mit den scharfen Waffen einer Frau

Titel: Mit den scharfen Waffen einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAUREEN CHILD
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den Moment denken, in dem Brandon Saxon gestorben war. Es war während eines gefährlichen Einsatzes auf feindlichem Gebiet geschehen.
    Jericho hatte schon viele Männer sterben gesehen. Zu viele, nachdem er in die Armee eingetreten war. Doch zu Brandon hatte er ein besonderes Verhältnis gehabt. Er war jung und euphorisch gewesen. Der Tod des Jungen hatte Jericho tief getroffen und letztlich dazu geführt, dass er um seine Entlassung gebeten hatte. Danach war er hierher, in die Berge, auf seinen Berg, gezogen.
    Und plötzlich stand er Brandons Schwester gegenüber, die auf ihn wie die personifizierte Stimme des Gewissen wirkte. Durch sie kam das quälende Gefühl zurück, schuld am Tod ihres Bruders zu sein.
    Schmerz flackerte in ihren Augen auf. „Ja.“
    Deutlich sah Jericho das Gesicht von Brandon Saxon vor sich, wie er ausgesehen hatte, kurz bevor er gestorben war. Erst hatte der Junge mit seinem Schicksal gehadert, es dann aber akzeptiert. Jericho erinnerte sich auch an das Versprechen, das er seinem Kameraden auf dem Sterbebett gegeben hatte. Er hatte ihm sein Ehrenwort gegeben, dass er sich um seine Schwester kümmern würde, wenn sie Hilfe brauchte.
    Aber hatte er etwa nicht sein Bestes gegeben, um sein Versprechen zu halten? Was war mit dem persönlichen Kondolenzbrief, den er an sie geschrieben hatte? Was mit seinem Anruf, um ihr seine Hilfe anzubieten? Doch sie hatte höflich abgelehnt, ihm für seinen Anruf gedankt und aufgelegt. Für Jericho war die Sache damit erledigt gewesen. Bis jetzt.
    Wieso zum Teufel tauchte sie plötzlich auf seinem Berg auf, obwohl sie seine Unterstützung abgelehnt hatte?
    „Ich weiß, es ist viel Zeit seit unserem letzten Telefonat vergangen“, sagte sie und riss Jericho aus den Gedanken. „Aber als Sie mich damals nach Brants Tod angerufen haben, sagten Sie, ich könne mich jederzeit an Sie wenden.“
    „Ja“, erwiderte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Da ich aber nichts mehr von Ihnen gehört habe …“
    „Es hat eine Weile gedauert, bis ich über Brants Tod hinweggekommen bin“, erklärte sie. Dann warf sie Sam, der immer noch auf dem Rasen stand und sie beobachtete, einen kurzen Seitenblick zu. „Könnten wir vielleicht drinnen weiterreden?“
    Einen Moment lang war Jericho verunsichert. Er wollte nicht in ihrer Schuld stehen, wusste aber, dass er es tat. Denn er hatte sein Wort gegeben, und zwar nicht nur ihrem Bruder, sondern auch ihr. Und Jericho King würde sein Wort niemals brechen. Also musste er sich wohl oder übel Zeit für sie nehmen.
    Wie sie dort stand und im kühlen Wind der Pinienbäume fröstelte. Sie hatte nicht einmal daran gedacht, dass sie hier in den Bergen eine Jacke brauchte. Selbst in Kalifornien hatte der Herbst in den höheren Lagen seine tückischen Seiten. Und das war jedenfalls klar: Sie gehörte bestimmt nicht zum Typ Frau, der für das Leben in der Natur gemacht war.
    Natürlich wollte sie lieber ins Warme. Dort gehörte sie ja auch hin. Wahrscheinlich war sie eine von denen, die ganz verrückt nach dem Abenteuer Natur waren – solange sie es mit einem Glas Wein in der Hand vom Fenster aus verfolgen konnten. Frauen wie sie kannte er zur Genüge.
    Vielleicht musste er sie ja auch gar nicht hinauswerfen. Vielleicht kam sie von allein auf die Idee, dass hier nicht der passende Arbeitsplatz für sie war. Netterweise konnte er ihr eine Tasse Kaffee anbieten, bevor sie wieder verschwand. Sie ein bisschen herumführen, ihr alles zeigen. Damit sie begriff, dass sie nicht hierher passte und nicht bleiben konnte.
    „Klar. Gehen wir rein.“
    „Danke“, sagte sie. „Es ist wirklich kalt hier. Als ich heute Morgen in L.A. losgefahren bin, waren es fünfundzwanzig Grad.“
    „Wir sind hier auch etwas höher“, entgegnete er trocken. Dann griff er auf, was sie gerade gesagt hatte. „Sie sind schon heute Morgen losgefahren? Und gerade erst angekommen? Normalerweise ist das ein Dreistundentrip. Sagen wir vier, bei starkem Verkehr.“
    Sie drückte dem kleinen Hund auf ihrem Arm einen Kuss auf die Stirn und zuckte mit den Schultern. „Es war ja auch eine Menge Verkehr. Aber die Wahrheit ist: Ich habe mich verfahren.“
    Jericho starrte sie entgeistert an. „Haben Sie denn kein Navigationsgerät?“
    „Doch. Aber …“
    „Vergessen Sie es.“ Er drehte sich um, winkte Sam zu, wies mit dem Arm einladend in Richtung Haus und ging voran. Als sie ihm nicht folgte, drehte er sich um und sah sie an. „Wo liegt das

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