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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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hatte. Ich war gerade dabei, die mehr als spartanische Behausung zu betreten, in der es
gefühlte fünfzig Grad heiß war und wo es obendrein übel roch, da polterte mir ein weiblicher Oberfeldwebel entgegen.
    Schlecht gelaunt musterte sie mich von oben bis unten und sagte abfällig: »Ah, neue Tappsies.«
    Leicht verunsichert stand ich da und fragte mich, was das wohl heißen sollte. Vermutlich war es die Bezeichnung für Neulinge im Einsatzland. Ich ging auf den Oberfeldwebel zu, streckte ihr die Hand entgegen. »Hallo, ich bin Daniela«, sagte ich unbedarft.
    »Kohlbrecher mein Name. Und mein Vorname ist für SIE immer noch Frau Oberfeldwebel! Schwachsinnige Tappsies …« Schon wandte sie sich grimmig ab, ließ mich stehen.
    Das war meine erste Begegnung mit einer Kameradin, der es bei diesem Einsatz letzten Endes nicht besser ergehen sollte als mir.

    Der Rest des Tages verging wie im Flug, und der nächste Morgen kam eher als gedacht. Ich hatte die halbe Nacht an die Decke des überhitzten Zeltes gestarrt. So langsam bekam ich eine leise Ahnung davon, was alles auf uns zukommen konnte.
    Nach dem Frühstück setzten sich meine Kameraden vom 2. Kontingent KFOR und ich, bewaffnet mit der am Vortag ausgehändigten Bristol, einer Pistole und einem Helm, bei fünfundvierzig Grad Celsius im Schatten in die drei Busse. Die Fahrt war eine einzige Tortur, denn wir fuhren den halben Tag lang über sich schier unendlich windende Serpentinen. Zwei Panzer begleiteten unseren Konvoi als Vor- und Nachhut. Sie sollten uns schützen.
    »Was soll das?«, fragte eine der Soldatinnen eine Reihe hinter mir.

    Ich drehte mich zu ihr um. »Na ja, die Menschen hier im Kosovo scheinen nicht gerade zimperlich zu sein, wenn die NATO ihre eigenen Soldaten dermaßen schützen muss.«
    Sie riss die Augen auf, sagte jedoch nichts mehr, daher drehte ich mich wieder um und versuchte ein wenig zu dösen - vergeblich.
    Um 19.00 Uhr erreichten wir endlich das mehrfach gesicherte Camp der NATO, die Multinational Brigade South in Prizren.
    Wir waren gerade ausgestiegen und streckten unsere müden und steifen Glieder, da kam der Spieß auf uns zu. Wir nahmen Haltung an, doch er winkte ab. »Legen Sie die Waffen ab«, forderte er uns auf, ehe er ein paar Worte sprach und zur Begrüßung jedem eine Dose Bier reichte.
    Er schlenderte an den zusammenstehenden Grüppchen vorbei, und als er nur noch wenige Meter von mir entfernt war, fragte er: »Kamerad Matijević?«
    »Hier!« Ich hob die Hand.
    »Wir haben für Sie eine Nachricht aus Deutschland«, erklärte mir der Spieß zu meinem Erstaunen. »Herzlichen Glückwunsch. Ihre Schwester hat einen gesunden Jungen zur Welt gebracht. Sie sind nun Tante.« Mit einem Lächeln wandte er sich ab.
    Auch wenn einige meiner Kameraden mich ebenfalls beglückwünschten, in diesem Moment war ich der einsamste Soldat der Welt. Die Einsamkeit, die ich in jenen Minuten empfand, kannte ich bisher nur von Friedrich Nietzsche. Dass ich die Schilderung von Einsamkeit aus des großen Philosophen Werk einmal auf mich beziehen müsste, das hätte ich nie für möglich gehalten …
    Ich hätte wahnsinnig gerne zu Hause angerufen und meine Mutter mit Fragen gelöchert, schließlich wusste ich nicht einmal, wie mein kleiner Neffe hieß. Doch Handys waren damals noch nicht verbreitet, und vom Satellitencontainer, den British Telecom für die Soldaten im Camp errichtet hatte, wusste ich so kurz nach meiner Ankunft leider nichts.

    Nachdem wir das Begrüßungsbier ausgetrunken hatten, führten uns jene Kameraden, die schon seit einiger Zeit vor Ort waren, zu unserem Quartier. Es war in der mit Massen von Kartons gefüllten Lagerhalle einer halb verfallenen alten Garnfabrik untergebracht.
    Bei dem erbärmlichen Anblick unseres Quartiers, auch »Bronx« genannt, musste ich schlucken. Man hatte in der riesigen Halle eine winzig kleine Ecke freigeräumt. Dort waren unsere Zelte aufgebaut. Über ihnen spannte sich ein Dach mit einer zentimeterdicken Asbestschicht, die langsam, aber stetig herabrieselte. Aus einem der Zelte tönte es »Willkommen in der Hölle«.
    Das Zehnmannzelt, dem ich zugeteilt worden war, war mit zwanzig Frauen bereits dicht belegt. Die Zahnärztin Johanna, die mit mir aus Tetovo gekommen war und ihren Kollegen vor Ort ablösen sollte, quetschte sich gemeinsam mit mir, als Nummer einundzwanzig und zweiundzwanzig, hinein.
    Eilig suchte ich mir ein freies Feldbett und richtete mich notdürftig auf knapp zwei

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