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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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durchzudrehen.«
    Ich war noch nicht fertig. »Im Rucksack sind dann noch ein Handtuch, Schlafsack, Isoliermatte, Klappspaten, Essgeschirr und, ganz wichtig, die Wasserflasche.«
    Meine Mutter war sichtlich beeindruckt von der Liste, dabei war das ja wirklich nur das Allernötigste. Im Kosovo sollte ich endültig lernen, mit wenig auszukommen.

    Am Nachmittag des 6. August 1999 brachten mich einige Freunde zu der Kaserne, die als Ausgangsort für das 2. Kontingent KFOR 2 fungierte. Sie lag irgendwo in Mitteldeutschland, ich kann heute nicht mehr genau sagen, wo. Der Abschied geschah schnell und ohne große Worte, das wollte ich so. Je schneller ich weg bin, desto eher kann ich zurück, dachte ich.
    Was mir bei dem Einsatz alles zustoßen konnte, darüber wollte ich nicht weiter nachdenken, ob ich überhaupt gesund heimkehren würde zum Beispiel. Ich hatte mich dieser Aufgabe zu stellen,
daran war nun mal nicht zu rütteln, daher wollte ich mich im Vorhinein nicht verrückt machen.
    Der Auftrag des 2. Kontingents KFOR bestand darin, den Frieden im Kosovo weiter zu sichern, beim Wiederaufbau des Landes zu helfen und obendrein humanitäre sowie medizinische Hilfe zu leisten.
    Keine Stunde, nachdem ich mich von meinen Freunden verabschiedet hatte, flog ich gemeinsam mit allen anderen für dieses Kontingent befohlenen Soldaten vom Militärflughafen Köln/ Wahn direkt nach Tetovo. In diesem albanischen Ort befand sich das sogenannte »Vorcamp« für den Kosovo.
    Mit einem mulmigen Gefühl schaute ich aus dem Fenster der steigenden Maschine auf deutsche Wiesen und Felder. Mir war unklar, was mich erwartete, doch damit, dass Tetovo in Wahrheit das Vorcamp zur Hölle war, hätte ich im Leben nicht gerechnet.

Nicht der Sieg
ist dem Kämpfer
die größte Ehre,
sondern das Geschenk,
den Kampf überlebt zu haben.
    3.
    Auf dem Rollfeld des Flughafens von Tetovo warteten drei Busse, mit denen wir in das Lager der deutschen Truppen gebracht wurden. Drei Busse, bis auf den letzten Platz besetzt mit frischen, unverbrauchten deutschen Soldaten. In Tetovo brauchten wir vorerst keinen Geleitschutz - am nächsten Tag, auf dem Weg in den Kosovo, sollte das anders aussehen.
    Ich saß im hinteren Teil eines der Busse auf einem Fensterplatz und betrachtete die vorbeiziehende karge Landschaft. Alles wirkte ausgedörrt, als hätte sich das Leben aus dieser Region verabschiedet.
    Als wir im Lager ankamen, war ich völlig durchgeschwitzt und hätte mich am liebsten sofort unter die Dusche gestellt, doch zunächst wurden wir auf die Zelte verteilt. Wir durften nur kurz unsere Sachen ablegen, dann mussten wir auch schon antreten.
    Der Feldwebel, der uns in Empfang nahm, raubte uns sofort jegliche Illusionen. In Deutschland hatte man uns mit einer
Splitterschutzweste ausgestattet, die uns, wie wir nun erfuhren, im Falle eines Anschlages leider kein bisschen schützen würde.
    »Ich rate euch, auf vermintem Gebiet eine Bristol zu tragen«, erklärte er fast schon spöttisch, während wir ihn ungläubig anstarrten.
    Ich war fassungslos. Wie konnte es sein, dass wir derart unzureichend geschützt waren? Nun sollten wir unsere Schutzwesten auf den Müll werfen und stattdessen diese knapp sechzehn Kilo schwere Zumutung namens Bristol anlegen, in der Hoffnung, dass wir dann mit heiler Haut davonkamen. Indem ich mehrmals tief ein- und ausatmete, versuchte ich, meine Wut zu zügeln und mich auf die Worte des Feldwebels zu konzentrieren. Schließlich konnte von ihnen mein Leben abhängen.
    »Wenn ihr allerdings beschossen werdet und ihr kriegt ein Projektil direkt in die Fresse, dann hilft euch leider auch keine Bristol der Welt. Viel Glück also«, das war sein abschließender Kommentar, ehe er uns wegtreten ließ.
    Als Nächstes stand Haareschneiden an. Die fast schon unerträglich hohen Temperaturen in Albanien und die Tatsache, dass wir zum Duschen bald nur noch wenige Minuten Zeit haben würden, ließen mich radikal werden. Spontan beschloss ich, mir den Schädel kahlscheren zu lassen. Allein beim Gedanken an kaltes Wasser unmittelbar auf der Kopfhaut fühlte ich mich sofort wohler.
    Alle standen um mich herum, gaben Kommentare zu meinem »Kahlschlag« ab, pfiffen und johlten, doch es war mir gleich. Zugegeben: Ich sah nach meinem Besuch beim Barbier aus wie GI Jane, doch der Wind kühlte angenehm meinen Kopf, was mir einigen Spott wert war.
    Kahlgeschoren machte ich mich auf den Weg zu dem schäbigen alten Zehnmannzelt, das man mir zugeteilt

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