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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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denn sie bekamen das Gleiche vorgesetzt wie wir. Wir alle versuchten von der Pampe, die das Küchenteam »Essen« nannte, satt zu werden. Gesunde Ernährung sah, roch und schmeckte aber anders, so viel war sicher. Vermutlich hat mein Körper noch nie über eine so lange Zeit so wenig Nährstoffe aufgenommen.
    Als Folge begann sich schon bald der ständige Hunger auf die Stimmung der Truppe auszuwirken - zu deren Nachteil natürlich.
    Gott sei Dank gab es unter den Küchenbullen immerhin einige sehr einfallsreiche Kameraden, die uns an so manchem Tag mit ihren wo auch immer gestohlenen Kartoffeln sowie Knoblauch retteten. Von wo sie die begehrten Knollen besorgten, wagte niemand von uns zu fragen. Es ist bekanntlich so: Wer Fragen stellt, bekommt Antworten. Je weniger wir aber über die genaueren Umstände Bescheid wussten, desto besser - sollte es eines Tages tatsächlich zum Verhör kommen.
    Eines Abends, ich kam gerade mit einigen Kameraden von einer langen Fahrt durch die umliegenden Dörfer zurück, hörte ich Musik und Stimmengemurmel.
    Mit schmerzendem Rücken stieg ich aus dem Wolf, dem jeepähnlichen Militärfahrzeug, und reckte die Glieder, die nach über
zwölf Stunden bei sengender Hitze in der engen Bristol völlig malträtiert waren. Da entdeckte ich, dass in der »Bronx«, wie wir den überdachten Platz mit dem Betreuungszelt mitten im Camp nannten, einiges los war.
    Die provisorische Sitzgelegenheit, die »Bronx« eben, sollte den Soldaten eine Möglichkeit bieten, sich in der knappen freien Zeit, bei einer Dose Cola oder Bier das Alltagsgeschehen von der Seele zu reden. Die Getränkeausgabe war fast rund um die Uhr geöffnet, und wir wechselten uns alle mit dem Dienst hinter der Theke ab. Letztlich war die »Bronx« eine Art Aufenthaltsort zwischen den Welten, denn kaum trat man aus dem fremden Kosovo in diese Vorhalle und auf die zusammengeschusterten Sitzgelegenheiten, war einem Deutschland ein kleines Stück näher. Hier lief westliche Musik, man sah vertraute Gesichter und fand immer jemanden, mit dem man sprechen konnte - und das wurde mit jedem Tag, der verging, wichtiger.
    An jenem Abend saßen etwa zwanzig meiner Kameraden gut gelaunt um ein Feuer, tranken Bier und holten Kartoffeln in Alufolie aus der Glut. Ein heftiger Knoblauchgeruch drang zu mir und zog mich geradezu magisch an. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich sogar, ich wäre auf der Terrasse meines Lieblingsgriechen in Osnabrück.
    »Hallo, Jungs«, sagte ich, »bitte lasst mir was übrig. Ich bin gleich da.«
    »Dann beeil dich aber«, erwiderte ein Kamerad, der gerade genüsslich in eine eingeölte Kartoffel biss, das Öl lief ihm dabei übers Kinn.
    So schnell wie an jenem Abend hatte ich noch nie meinen Helm, die Pistole und die Bristol im Zelt deponiert. Eigentlich hatte ich mich auf eine erfrischende Dusche gefreut, doch dieses Vorhaben war nun zweitrangig. Ich warf die Sachen auf mein Feldbett und gesellte mich zu den anderen.

    Udo, ein netter Schwabe, der oft unter Heimweh litt, öffnete eine Bierdose für mich. Ich bedankte mich und nahm einen tiefen Schluck.
    Ein anderer Kamerad reichte mir eine gegarte Kartoffel auf einem Holzspieß. Ungeachtet der Hitze, biss ich herzhaft hinein. Die Kartoffel, gespickt mit Unmengen von Knoblauch, schmeckte so gut wie schon lange nichts mehr.
    Ein anderes Mal ging der Hunger sogar so weit, dass wir bei einer unserer Patrouillenfahrten einen streunenden Hund sahen und uns das Wasser im Mund zusammenlief.
    »Seht nur«, rief einer meiner Kameraden und deutete aus dem Seitenfenster auf den Hund, »da läuft ein Döner!«
    Im ersten Moment musste ich lachen, aber als der Fahrer anhielt und zwei Kameraden ausstiegen, um den Hund einzufangen, konnte ich es kaum erwarten, dass wir ins Camp zurückkehrten. Vor meiner Zeit im Kosovo hätte ich sicher gedacht: Igitt, wie kann man nur einen Hund essen? Aber damals wusste ich noch nicht, wie schlimm Hunger sein kann.
    Ich erinnere mich nicht mehr genau, wer von meinen Kameraden sich des armen Tieres annahm und wie er es schaffte, aus dem mageren Wesen letztendlich eine so leckere Mahlzeit zuzubereiten. Da mein Hunger auf Fleisch fast schon animalische Ausmaße annahm, spielte das Wie nun wahrlich keine Rolle. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie - weder davor noch danach - etwas mit so viel Inbrunst gegessen wie an jenem Tag.
    »Lecker«, sagte ich, als ich fertig war und meinen Teller am liebsten abgeschleckt hätte.
    »Ja, das war

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