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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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zwei Mädchen, etwa sechs und neun Jahre alt. Sie spielten auf einer Wiese vor dem Weg, der in die Dorfmitte führte.
    Wir hielten ein paar Meter vor ihnen an. Der Fahrer schaltetet den Motor aus.
    Ich stieg aus. In meiner Bristol, den Helm auf, näherte ich mich lächelnd den Kindern.
    Die beiden Mädchen waren sommerlich gekleidet, in Röcken und T-Shirts, barfuß waren sie auch. Ihre Kleidung war aufgetragen, von Schwestern oder Cousinen möglicherweise. Obwohl offenkundig nicht wohlhabend, strahlten die Mädchen übers ganze Gesicht, ob der willkommenen Abwechslung, die da gerade in Form einer deutschen Soldatin vor ihnen auftauchte.
    Ich stellte mich kurz vor und fragte sie in ruhigem Tonfall: »Könntet ihr uns bitte zum Dorfältesten führen?«
    Sie antworteten nicht, steckten aber die kleinen Köpfe zusammen, fingen an zu kichern und rannten wortlos über die Wiese.
    Ich stand auf der Straße, hinter mir meine Kameraden im Wagen. Alles hier wirkte so idyllisch, das schöne Dorf, die lachenden Mädchen, die zwitschernden Vögel.
    Hätte ich das Unglück abwenden können?
    Vielleicht. Andererseits ging alles so schnell. Ich war nicht mal in der Lage, einigermaßen klar zu denken, geschweige denn der Situation gemäß zu handeln.
    Die erste Explosion war so unglaublich laut, dass ich mir unbewusst mit beiden Händen die Ohren zuhielt. Alles in mir schrie und wand sich.
    Die zweite Detonation erreichte mich nur gedämpft.
    Ich schaute auf und versuchte zu erfassen, was da gerade geschehen war. Meine Bristol, meine Uniform, mein Gesicht - alles war voller Blut. Hektisch blickte ich an mir herunter, auf der Suche nach einer Verletzung: Mir fehlte nichts. Ich schien unverletzt. Mehrere quälend lange Sekunden vergingen, bis ich begriffen hatte, was passiert war.
    Es waren die Mädchen, die explodiert waren.
    Sie mussten auf Minen getreten sein, Minen mit verheerender Sprengwirkung.
    Warum ich heil davon gekommen war - schließlich explodierten die Minen keine fünfzehn Meter von mir entfernt -, das konnte ich nicht fassen.
    Panisch schaute ich mich um. Doch in den Gesichtern meiner Kameraden im Wagen suchte ich vergeblich nach eine Erklärung dessen, was da gerade passiert war. Ihre vor Schreck geweiteten Augen zeigten lediglich an, dass dies kein Horrorfilm war, sondern die nackte, pure Realität.
    Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es mir besser ergangen wäre, wenn ich den Schrecken in den Gesichtern meiner Kameraden nicht bemerkt hätte. Vielleicht hätte ich mir dann besser weiter in die Tasche lügen, mein Gewissen auf die eine oder andere
Art beschwichtigen können. Doch die drei kriegserfahrenen Männer so hilflos und perplex zu sehen, verlieh der Situation eine Endgültigkeit, die mich, ähnlich verheerend wie die Detonationen, zutiefst erschütterte.
    Nichts, kein einziges Wort fiel zwischen uns. Die Verbindung, die wir mit den Augen hielten, riss jäh ab, als wir hörten, wie eine Gruppe Menschen auf uns zustürmte.
    Dann ging auf einmal alles ganz schnell. Wer, das weiß ich nicht, doch irgendjemand brachte mich in ein Haus. Ich weiß nur noch, dass Frauen schrien und ich einen Wimpernschlag später im Haus die verstümmelten Mädchen sah. Gemeinsam mit einem meiner Kameraden versuchte ich verzweifelt, die beiden Kinder zu reanimieren - leider ohne Erfolg.
    Nicht einen Versuch unternahm ich, um mich am Brunnen in der Dorfmitte zu säubern. Es erschien mir respektlos angesichts dessen, dass ich unversehrt war und die beiden fröhlichen Mädchen tot.
    Die Befragung des Dorfältesten, die wir alle gemeinsam in einem von Einschusslöchern beschädigten Haus durchführten, rauschte an mir vorbei. Ich funktionierte wie ein Roboter, stellte Fragen, dolmetschte, war physisch anwesend, doch in Gedanken die ganze Zeit über bei der Situation, die ich eben erst um Haaresbreite überlebt hatte.
    Nur noch ganz verschwommen sehe ich mich einem dicken alten Mann gegenüber auf dessen Sofa sitzen. Er, der Patriarch, völlig unberührt von dem, was da Minuten vorher keinen Kilometer von seinem Haus entfernt geschehen war, beantwortete selbstgefällig unsere Fragen.
    Der alte Mann behandelte uns abfällig, wie er es vermutlich gegenüber von Soldaten der KFOR immer tat. Er zeigte sehr deutlich, dass er uns für minderwertig, verabscheuungswürdig hielt. Er spie uns seine Antworten entgegen - ein Affront gegen jeglichen zwischenmenschlichen Umgang.

    Doch es gelang uns, die Befragung hinter uns zu bringen, wenngleich

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