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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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Jedenfalls kommt es mir manchmal so vor, als würde ich das Leid suchen, nur um es überwinden und darüber schreiben zu können.
    Vielleicht ist es aber so, dass das Leid mich sucht und ich darüber schreibe, weil es nur so zu überwinden ist.
    Das Leid wird erträglicher, wenn es festgehalten wird - wenn auch nur in Worten und Melodien. Ich habe weniger Leid, wenn es geteilt wird - wenn auch nur mitgeteilt.
    Vielleicht stimmt es, dass geteiltes Leid halbes Leid ist. Vielleicht ist das aber wie so vieles andere auch einfach nur Lüge. Wie auch immer, ich möchte dir danken, dass du mir erlaubst, mein Leid mit dir zu teilen.
    Du trägst damit mein Päckchen ein Stückchen mit mir und erleichterst meine Last, wenn meine Lieder dich begleiten, während du deine Leiden erträgst und sie für dich Zeuge deiner Leiden sein können, wie sie für mich Zeuge meiner Leiden sind.

    Wenn sie dir nur in einem Moment Trost sein können, wie sie mir in so manchen Momenten Trost sind, dann sind wir in diesen Liedern fester miteinander verbunden, als es die meisten Verwandten jemals sein werden.
    Wohlan, das sind meine Hörer, meine rechten Hörer, meine vorherbestimmten Hörer - was liegt mir am Rest? Der Rest ist nur die Menschheit - man muss der Menschheit überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der Seele, durch Verachtung.
    Ich werde nicht aufhören, meine Leiden in Lieder zu fassen, bis meine Leiden mir endlich das Rückgrat brechen, ich zu Boden falle und sich die Menschheit auf mich stürzt.
    Doch selbst wenn es so weit ist, werdet ihr nicht verhindern können, dass neue Menschen aus diesen Liedern Trost, Mut, Hoffnung und Kraft schöpfen. Unter diesen Menschen wird immer einer sein, der bereit ist, dieser Welt mit fester Stimme seinen Schmerz, seine Leiden, seine Verachtung und seinen Namen entgegenzuschleudern.
    Das soll mir Trost sein.
     
    In diesem Sinne
Moses Pelham

Kein Tag vergeht
ohne das wohlbekannte Gefühl
des Schmerzes
- in meinem Kopf
- in meiner Brust
- in meinem Herzen.
Ich habe zu viel versprochen
und nichts davon gehalten.
Wem kann ich
auf dem langen Weg zu mir
noch glauben?
    8.
    Eines Morgens, immer noch im Dienst des MAD, erwachte ich mit einem seltsam tauben Gefühl in den Gliedmaßen. Es schien, als wären all meine Kraft und jegliches Empfinden aus meinem Körper gewichen. Ich schob die Kraftlosigkeit auf die Strapazen der letzten Tage und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken.
    Also stellte ich mich zu meinen Kameraden an den Waschzuber, wusch mich und ließ danach das allmorgendliche Antreten um sieben Uhr - bei dem wir in Formation dastanden, um die Befehle des Tages entgegenzunehmen - über mich ergehen. Im Küchenzelt »stärkte« ich mich für den Dienst: mit einem weichen Brötchen und zerfließendem Käse.
    Die Zeit für die Mahlzeiten fiel knapp aus, und das hatte einen Grund: Im Küchenzelt stand nur eine begrenzte Anzahl an Essensplätzen zur Verfügung, weshalb jeder Kompanie eine genau definierte Zeitspanne zum Essen blieb, an die man sich zu halten hatte.

    Da ich sowie einige andere Soldaten unseren Tagesbefehl nicht beim Antreten mitgeteilt bekamen, sondern in der Kommandozentrale, musste ich jeden Morgen etwa einen halben Kilometer gehen, um meinen Tagesablauf zu erfahren.
    Ein jeder Soldat erhielt morgens eine sogenannte Ist-Vorgabe, die nach Möglichkeit - und man hatte sich gefälligst darum zu bemühen, dass aus der Möglichkeit Fakt wurde - einzuhalten war. Schließlich verfolgten wir einen bestimmten Auftrag im Einsatzgebiet der Multinational Brigade South. Und da unser Kontingent nur für begrenzte Zeit im Einsatzgebiet verweilen sollte, hatten wir für die unendlich vielen Brandherde im Kosovo, die es tagtäglich zu beseitigen galt, jeweils eindeutig definierte Zeitvorgaben.
    Ich eilte also zur Zentrale. Dort erfuhr ich, dass mich mein heutiger Auftrag in ein ehemals sowohl von Serben als auch von Albanern bewohntes Dorf führen sollte. Dort seien bei einer Massenvergewaltigung einundzwanzig Kinder von Bewohnern des Dorfes sexuell missbraucht worden. Es waren lediglich Beschuldigungen laut geworden, niemand wusste etwas Genaueres. Meine Aufgabe bestand nun darin, die eventuell betroffenen Kinder zu befragen und die Ergebnisse im Protokoll festzuhalten. Obwohl die Aufgabe, im Befehlston vorgetragen, sehr sachlich klang, war mir deutlich bewusst, dass ich es mit Wesen zu tun bekommen sollte, die die Hölle auf Erden erlebt hatten.
    Als wir - mehrere Kameraden,

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