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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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    Nach geschätzten drei Minuten und gefühlten fünf Jahren entschlief er mit einem tiefen Seufzer - auf der Liege im Schockraum des deutschen Feldlazaretts, das zur Multinational Brigade South gehörte. Es war ein heißer Sommerabend des Jahres 1999, und ich konnte nichts weiter tun, als seine Hand zu halten.
    Als die Kameraden von der Notaufnahme den Jungen zu säubern anfingen, trat ich aus dem Schockraum ins Freie, zu den Eltern des Jungen. Der Vater war über und über mit Blut besudelt - er hatte seinen sterbenden Sohn so schnell er konnte zu uns ins Feldlazarett getragen. Die Mutter stand mit zerzausten Haaren und verweinten Augen daneben. Angst und Hoffnung spiegelten sich gleichermaßen in ihrem Gesicht.
    Nie werde ich die Trauer, Fassungslosigkeit und Verzweiflung der beiden Menschen vergessen, die nur wenige Minuten zuvor noch stolze Eltern gewesen waren.
    Wie sollte ich den beiden den Tod ihres Sohnes beibringen?
    Es gibt Dinge, an die kann man sich nicht gewöhnen.
    Irgendwann vergoss ich keine Tränen mehr. Hatte vielleicht keine Tränen. Sie kamen jedenfalls nicht mehr. Sie kamen einfach nicht.

Menschen, die ihren Verdruss
bei dir abladen,
um Kommunikation als Plattform
für Energie-Vampirismus zu betreiben,
sind die Energie nicht wert,
die ein Augenzwinkern erfordern würde.
    7.
    Es war gegen Ende August, ich arbeitete gerade auf der Intensivstation und schloss meine Nachtschicht ab, da suchte mich einer der Hauptmänner des Camps auf und führte mich ins Betreuungszelt.
    »Etwas zu trinken?«, fragte er freundlich.
    »Ja, gerne. Eine Cola«, bat ich und wunderte mich darüber, wie zuvorkommend er war.
    Von der Getränkeausgabe zurück, fing er an, sich mit mir zu unterhalten - ganz locker. Bis er sagte: »Soldat Matijević, Ihre Fähigkeiten werden künftig im Feldlazarett nicht mehr benötigt.«
    »Schade«, erwiderte ich nur. »Der Job ist genau richtig für mich. Ich fühle mich in dem Team sehr wohl.«
    Meine Sätze hätte ich mir sparen können, denn vonseiten des Hauptmanns war längst eine Entscheidung gefallen.
    »Der MAD benötigt sowohl Ihre Sprachkenntnisse als auch Ihr medizinisches Wissen«, erklärte er mir. »Bitte finden Sie
sich am Nachmittag in der Kommandozentrale ein.« Schon erhob er sich, tippte an die Stirn und ließ mich mit all meinen schweren Gedanken zurück.
    Der Militärische Abschirmdienst, kurz MAD, war wohl auf mich aufmerksam geworden, weil mich meine Kameraden zuletzt immer häufiger bei der Sprachvermittlung mit Einheimischen brauchten.
    Nach dem Gespräch mit dem Hauptmann war an Schlaf nicht mehr zu denken, obwohl ich nach dem anstrengenden Nachtdienst durchaus ein paar Stunden Erholung hätte gebrauchen können. So lag ich auf meinem Bett und starrte die Decke an, während ich dem nächsten Tag entgegenfieberte.
    Dann war es so weit: Ich stiefelte in die Kommandozentrale der Multinational Brigade South, die am anderen Ende des Camps im Verwaltungstrakt der ehemaligen Garnfabrik eingerichtet worden war. In dem mehrstöckigen Gebäude waren zahlreiche Büros wichtiger Vertreter aller Nationen sowie mehrere Tagungsräume untergebracht. Von der Eingangshalle des Gebäudes aus hatte man gut vier oder fünf Etagen im Blick, auf deren Korridoren Soldaten aus aller Herren Länder geschäftig wie Ameisen von Raum zu Raum wuselten.
    Als ich eintraf, warteten einige hohe Herren bereits auf mich. Sie baten mich, Platz zu nehmen, und erklärten mir sogleich alles, was ich für meine künftigen Einsätze wissen musste. Allerdings schien der MAD besorgt um meine Herkunft, ließ doch die Tatsache, dass ich eine kroatische Mutter hatte, befürchten, dass mich aus ethnischen Gründen im Kosovo-Konflikt Schwierigkeiten erwarteten.
    Daher sollte ich, bevor ich zum ersten Mal im Auftrag des MAD eingesetzt wurde, meinen Namen ändern. Dazu bedurfte es eines Eintrags in der Datenerfassungsstelle, in der die KFOR-Identifikationskarten - ID - hergestellt wurden.

    Da der letzte Soldat, dem eine solche ID ausgestellt worden war, mit Nachnamen Engl hieß, überlegte der verantwortliche Verwaltungsbeamte nicht lange und stellte mir einfach eine ID auf den Namen Daniela Engl aus.
    »Na, das passt ja fantastisch« sagte mein Oberstleutnant. »Du bist doch sowieso unser Engelchen.«
    Fortan hatte ich einen Spitznamen …
    Um meinen ersten Einsatzbefehl zu empfangen, musste ich jedoch erneut das Heiligtum der Multinational Brigade South betreten - die Kommandozentrale. Auch an

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