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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
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ein Major darunter - gegen Mittag unseren Einsatzort erreicht hatten, setzten uns die Hitze, aber auch unsere leeren Mägen mächtig zu. Es war keineswegs einfach nur heiß - es schien, als wollten die erbarmungslosen Sonnenstrahlen uns mit ihrer Hitze jeder Selbstkontrolle berauben, sich unseres Sprachzentrums, unserer Körperbeherrschung und langsam, aber sicher auch unseres Verstandes bemächtigen.

    Es dauerte ein wenig, bis wir die Kinder beisammenhatten, weil wir erst die Erwachsenen des Dorfes von unserem Vorhaben überzeugen mussten.
    »So verstehen Sie doch«, versuchte ich etwa eine Mutter zu überzeugen, die uns jede Auskunft verweigerte. »Wir wollen Ihnen und vor allem Ihren Kindern helfen. Die Befragung ist dringend notwendig, denn nur so können wir die Vorgänge aufklären.«
    »Wir regeln das unter uns«, sagte diese Mutter darauf, ehe sie mir die Tür vor der Nase zuschlug.
    Die Menschen im Dorf begegneten uns zumeist offen feindselig. Sie wollten offenbar kein Licht ins Dunkel bringen. Erst die Androhung von Waffengewalt brachte sie dazu, uns wenigstens zu dulden.
    Etwa eine Stunde nach unserer Ankunft in dem zerschossenen, vom Krieg hart gebeutelten Dorf befragte ich einige der Kinder.
    Die Befragung fand in einem Schuppen auf Kroatisch statt, da die Mädchen und Jungen serbischer Herkunft waren. Im Schuppen musste einst Fleisch geräuchert worden sein, er roch noch immer danach. Ich setzte mich auf einen kleinen Melkschemel und ermutigte die Kinder, es sich ebenfalls bequem zu machen.
    Zwar habe ich niemals auch nur eine Unterrichtsstunde in Verhörtechnik mitgemacht, dennoch war mir klar, dass mir hier äußerst fragile Wesen gegenübersaßen. Also legte ich jeglichen Pragmatismus gemeinsam mit meiner Bristol ab und begegnete den verunsicherten Kindern vor mir mit Menschlichkeit und ehrlichem Interesse.
    Obwohl ich ja angehalten war, die Ergebnisse der Befragung schriftlich festzuhalten, war es mir nicht möglich, auch nur eine der Grausamkeiten aufzuschreiben, die mir diese Kinder schilderten - es war, als würden all die von ihnen aufgezählten Abscheulichkeiten durch das geschriebene Wort ein zweites Mal zur Realität.

    Ich kann mich noch lebhaft an ein Gespräch mit einem Zwölfjährigen erinnern, dessen Worte ich allerdings nur bruchstückhaft wiedergeben kann.
    »Willst du mir vielleicht erzählen, was dieser Mann mit dir gemacht hat?«, fragte ich ihn nach einer längeren Unterhaltung zuvor.
    »Er hat mit mir gemacht, was Papa oft mit Mama tut. Nur dass ich dabei auf dem Bauch liegen musste.«
    Obwohl ich entsetzt war, versuchte ich die Fassung zu bewahren. Dennoch musste ich mehrfach schlucken und tief durchatmen, bis ich mich gefangen hatte und weitermachen konnte. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen.
    »Kannst du mir sagen, wie oft das passiert ist?«, hakte ich nach, in der Hoffnung, es möge ein einmaliger Alptraum gewesen sein.
    Da antwortete der Junge leicht beschämt: »Jedes Mal, wenn ich danach geblutet habe, hat er zu mir gesagt, dass er es gleich noch einmal tun würde - zur Strafe.«
    »Kannst du mir sagen, wer der Mann war, der es dir angetan hatte?«
    »Mein Onkel sagt, ich darf es keinem verraten.«
    Nach diesem Satz wandte sich der Junge ab, wollte nichts mehr sagen.
    Ich bat um eine kurze Pause und ging zur Toilette, um mir mit kaltem Wasser das Gesicht zu erfrischen. Wie soll ich das hier bloß durchhalten?, fragte ich mich. Und wusste es nicht.
    Mit zusammengebissenen Zähnen taumelte ich zurück zu den Kindern: Um ihretwillen war ich hier, und um ihretwillen würde ich die Befragung zu Ende bringen.
    Zwar waren all die Jungen und Mädchen, die brav auf mich gewartet hatten, sehr verängstigt, dennoch schien es, als seien sie erleichtert, dass ihnen endlich jemand zuhörte.

    Nicht nur der zwölfjährige Junge, nein, sämtliche Kinder, die ich befragte, berichteten grausame Dinge, die kaum unmenschlicher hätten sein können. Sie waren alle mehrfach vergewaltigt worden. Die Täter hatten verschiedene Gegenstände in ihre Körperöffnungen eingeführt. Sie hatten die Kinder mit brennenden Zigaretten gequält. So entsetzlich diese bestialischen Taten für die Kinderseelen auch gewesen sein mussten, die Kinder hörten nicht auf zu erzählen, nutzten jede Sekunde, um ihre Pein loszuwerden.
    Ununterbrochen wünschte ich mir, es möge gleich irgendjemand hereinkommen und ganz laut ausrufen: »Reingelegt, liebe Daniela! In Wirklichkeit ist den Kindern gar nichts

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