Mit der Hoelle haette ich leben koennen
sich mein Zustand trotz zweier intensiver Therapiegespräche und der Erholung, die ich mir gönnte, nicht besserte, schrieb mich der zuständige Bundeswehrarzt noch einmal acht Wochen krank.
Dann wieder ein paar Wochen.
Und wieder.
Und wieder.
Bis ich am 30. Juni 2000 aus der Bundeswehr entlassen wurde. Die vier Jahre, zu denen ich mich 1996 voller Elan, Hoffnung und gutem Willen verpflichtet hatte, waren vorbei. Nun wurde ich entlassen - und schnell auch vergessen.
Ich hatte gehofft, mit der Entlassung wäre das Schlimmste geschafft. Doch weit gefehlt. Zwar war ich unendlich erleichtert, dieses Lebenskapitel abgeschlossen zu haben, aber mein Leidensweg war damit noch lange nicht beendet. Ganz im Gegenteil.
Nun hieß es in der zivilen Welt wieder Fuß fassen. Solange mein Vertrag bei der Bundeswehr lief, war ich zumindest finanziell
abgesichert. Jetzt musste ich zusehen, wie ich meine Miete aufbrachte.
Eines Nachmittags besuchte ich wieder mal meine Schwester - ich war gerne bei ihr, denn meine Nichte und mein kleiner Neffe verschafften mir mit ihren sonnigen Gemütern immer ein paar unbeschwerte Stunden. Wir kamen auf meine Zukunft zu sprechen.
»Weißt du schon, wie es mit dir weitergehen soll?«, fragte Danica. Sie machte sich Sorgen, weil sie um meine Krankheit wusste, auch wenn wir in der Familie so gut wie nie über meine Schwierigkeiten redeten, weil wir alle mit der Situation überfordert waren.
»Mein Medizinstudium kann ich mir abschminken«, sagte ich nur. »Ich wäre überhaupt nicht fähig, Blut oder Wunden auch nur zu sehen.«
»Solltest du nicht wieder als Bürokauffrau arbeiten? Es hat dir zwar nie Spaß gemacht, aber fürs Erste wäre das vielleicht keine schlechte Idee«, meinte sie.
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Kommt gar nicht infrage!«
Danica ging in die Küche und holte eine Zeitung. Gemeinsam gingen wir die Stellenanzeigen durch, konnten jedoch nichts Brauchbares entdecken.
Allerdings war mein Ehrgeiz geweckt. Ich beschloss, mir einen Job zu suchen.
Mit einem befristeten Vertrag in einem Callcenter gelang es mir zumindest für eine Weile, so etwas wie einen halbwegs normalen Alltag zu leben. Doch wegen der anhaltenden Schlaflosigkeit und der heftigen Kopfschmerzen musste ich mich in immer kürzeren Abständen krankmelden. Deshalb wunderte es mich nicht, dass mein Vertrag, der im Dezember 2000 auslief, nicht verlängert wurde.
Anfang Januar 2001, es war ein bitterkalter Morgen, stand ich früh auf und machte mich voller Zuversicht auf den Weg zum
Arbeitsamt. Während ich die Scheiben meines Autos freikratzte, überlegte ich, wie ich dem Beamten dort meine Situation am besten erklären sollte.
Eine halbe Stunde später hatte ich eine Wartenummer gezogen und saß wie die zwanzig anderen Leute, die es an diesem Morgen hierher verschlagen hatte, auf einem harten Plastikstuhl. Die Stimmung war bedrückend.
Seit der Rückkehr aus dem Kosovo war ich extrem geruchsempfindlich, schnell wurde mir speiübel. Und der Mann neben mir schien es mit der Körperhygiene nicht so genau zu nehmen. Ich war nahe dran rauszurennen. Ich konnte, nein, ich wollte nicht verstehen, was mir hier widerfuhr. Unter Einsatz meines Lebens habe ich meinem Vaterland gedient, bin dabei schwer traumatisiert worden, und nun sitze ich hier, zwischen all diesen elenden Gestalten?, dachte ich verzweifelt.
Nach zwei Stunden war ich an der Reihe. Hinter der schweren Holztür erwartete mich ein gelangweilt dreinblickender Mittfünfziger mit gelben Zähnen. Er saß an einem grünen Resopalschreibtisch, vor sich ein paar Unterlagen in Klarsichthüllen, die Kugelschreiber und die Bleistifte steckten in einem Stiftehalter.
Kein »Guten Tag«, geschweige denn ein Handschlag oder gar ein freundliches Lächeln - nichts. Der Sachbearbeiter deutete lediglich auf den freien Stuhl vor seinem Tisch und fragte: »Was gibt’s?«
Ich stellte mich kurz vor und erklärte ihm meine Lage. Während ich redete, blätterte er in einem Papierstapel. Allerdings schien er genau zuzuhören, denn als ich das Wort »Bundeswehr« erwähnte, reagierte er prompt - wenn auch anders als erwartet.
»Nee, nee, also für Soldaten sind wir hier nicht zuständig. Da müssen Sie schon zum Sozialamt gehen. Soldaten betreuen wir hier nicht.«
Sprach’s, nahm einen tiefen Schluck aus seiner Kaffeetasse und drückte auf einen vergilbten Knopf, mit dem er den nächsten Klienten aufrief.
»Gut, aber danke für die kompetente und vor allem
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