Mit der Hoelle haette ich leben koennen
desolaten Situation gebrauchen konnte, war eine Anklage wegen Körperverletzung.
Mehrere Tage später suchte ich zum ersten Mal eine zivile Psychotherapeutin auf.
Bisher hatte ich noch geglaubt, ich könnte mich aus eigener Kraft aus meiner Situation befreien, immerhin hatten mir die Gespräche mit Dr. Biesold unglaublich viel gebracht. Doch ich schaffte es nicht. Schließlich musste ich einsehen, dass es aussichtslos war, den Kampf gegen die PTBS ohne professionelle Hilfe zu führen.
Auf der Suche nach einer Therapeutin folgte ich meiner Intuition. Ich holte die Gelben Seiten hervor und schlug die Seite mit den Psychotherapeuten auf. Sofort stach mir ein bestimmter Name ins Auge. Ich notierte mir die Nummer. An jenem Morgen war ich mir sicher, die richtige Person gefunden zu haben.
Was soll ich sagen? Selten hat mich mein Instinkt mehr getäuscht.
Noch am selben Tag rief ich an und vereinbarte mit der sympathisch klingenden Frau einen Termin für die nächste Woche.
Zur festgesetzten Zeit betrat ich voller Hoffnung ihre Praxis, die stark esoterisch anmutete. Die Psychotherapeutin bot mir Wasser an, das von Kristallsteinen energetisiert war, und ließ mich erst mal eine ganze Weile warten, ehe ich in den Behandlungsraum durfte.
»Setzen Sie sich doch, Frau Matijević«, sagte sie freundlich und deutete auf zwei Korbsessel, die in dem hellen, spärlich möblierten Raum standen. Ich ließ den Blick über die Mandalas und Traumfänger an den Fenstern wandern und registrierte die im Hintergrund leise vor sich hin plätschernde Musik, die nach Walgesängen klang.
Dann nahm ich in einem der Korbsessel Platz und erwartete, dass sie sich ebenfalls hinsetzte.
Doch sie musterte mich eingehend im Stehen. Dann fragte sie: »Weswegen kommen Sie zu mir?«
Ich erzählte ihr, dass ich im Einsatz gewesen war, dass mich die schrecklichen Erlebnisse in Prizren extrem mitgenommen hätten, dass ich seither unter entsetzlichen Kopfschmerzen litt und nicht mehr richtig schlafen könne.
Sie nickte mehrmals wissend. »Verstehe«, sagte sie zwischendurch immer wieder und forderte mich mit einem weiteren Nicken auf weiterzureden.
Ausführlich erzählte ich ihr vom kleinen Ivica. Stockend berichtete ich, wie sehr mich seither die Schuldgefühle plagten, weil ich den armen Jungen, der so viel Leid erfahren hatte, nicht hatte retten können. Dass ich mir bis heute vorwarf, seinen Widerstand nicht respektiert, sondern ihn gebrochen, mich durchgesetzt zu haben.
»Der arme, unschuldige kleine Junge ist jetzt tot. Weil ich versagt habe«, endete ich.
Zunächst sagte die Therapeutin nichts, dann senkte sie den Blick und fragte mit leiser Stimme: »Wie viel Raum nimmt das in Ihrem Leben ein?«
»Ich denke jeden Tag daran«, erklärte ich, »und jede Nacht. Ich habe Schwierigkeiten, mir Gutes zu gönnen oder Dinge zu genießen. Weil ich der Meinung bin, es nicht verdient zu haben.«
»Was haben Sie getan, nachdem auf Ivica geschossen wurde?«, hakte sie nach.
»Ich habe versucht, aus dem Rest seines Kopfes eine Nase zu formen und ihn zu beatmen.«
Da blickte sie zu Boden und sagte gar nichts mehr. Keine Frage, kein Räuspern, kein Husten. Nichts.
Erst wartete ich ungeduldig auf eine Reaktion, doch dann merkte ich, dass ihr Körper bebte. Erst ganz leise, dann immer deutlicher, bis diese Psychotherapeutin schlussendlich hemmungslos weinte.
Sie beweinte mein Trauma.
Ich war fassungslos.
Sie gab sich keine Mühe, ihre Tränen zu verbergen. Lautstark schnäuzte sie sich in ein Taschentuch. »Sie müssen verzeihen, Frau Matijević, aber eine so traurige Geschichte habe ich noch nie gehört«.
Ich hatte große Mühe, unter all dem Schluchzen ihre Worte zu verstehen.
Was sollte ich nur tun?
Ich legte der Therapeutin eine Hand auf die Schulter. Nachdem sie darauf nicht reagierte, streichelte ich ihr leicht über den Arm. Sie blickte auf, warf sich mir in die Arme und weinte herzzerreißend.
Ich murmelte einen Abschiedsgruß und ging.
Hilfe war von dieser Therapeutin nicht zu erwarten - ich war wieder mal auf mich allein gestellt. Und traurig, frustriert und wütend.
Was soll ich nur tun, wenn mir schon die Profis, seien sie Beamte oder Ärzte, nicht helfen können?, fragte ich mich auf dem Heimweg. Meine Verzweiflung war groß, doch noch regte sich ein Wille in mir.
»Okay, Dani«, sagte ich im Auto laut zu mir selbst. »Diesmal hat dein Instinkt dich getrogen. Das kann passieren.« Ich beschloss, mich von diesem einen Fehlgriff
Weitere Kostenlose Bücher