Mit der Hoelle haette ich leben koennen
wir jetzt, gut ein Jahrzehnt später, darüber reden konnten!
Zum Schluss sagte er noch: »Jedenfalls tut es mir ehrlich leid.«
Wir verabschiedeten uns herzlich voneinander. Ich erinnere mich gut an das Gespräch. Auch weil es zeigt, dass Verständnis für meine Situation durchaus möglich ist - selbst wenn es manchmal ein bisschen länger dauert.
Damals, als sich so viele von mir abwandten, stand ich allerdings vor einem großen Problem: Wie konnte ich von den mir nahestehenden Menschen verlangen, dass sie Dinge begriffen, für die ich selbst keine Erklärung hatte? Sogar heute, über zehn Jahre nach meiner Rückkehr, ist das manchmal noch so.
Während der Odyssee von Therapeut zu Therapeut empfand ich es als schlimm und zermürbend, dass ich einfach nicht erklären konnte, was in mir vorging. Ich war bei Frauen und bei Männern, bei Verhaltenstherapeuten und Heilpraktikern, ich probierte in meiner Verzweiflung alles aus, was mir »Heilung« versprach. Ich ließ unzählige Gespräche und Untersuchungen über mich ergehen - und stellte irgendwann resigniert fest, dass nicht der Krieg oder die darin involvierten Menschen mein größtes Problem waren, sondern die Beamten hier in Deutschland. Egal, wie detailliert ich beschrieb, was ich erlebt und erfahren hatte, die Sachbearbeiter hinter ihren Schreibtischen in den diversen Ämtern konnten sich meine Lage nicht vorstellen und lehnten deshalb per se alle meine Anträge und Gesuche ab.
Es kam mir so vor, als würde jeder Antrag, jeder Einwand, jede Anfrage erst misstrauisch beäugt und dann entweder abgeschmettert
oder unbearbeitet liegen gelassen. Da ich mittlerweile keine Bundeswehrangehörige mehr war und sich weder das Sozial- noch das Arbeitsamt für mich zuständig fühlten, fiel ich durch alle Maschen. Offenbar gab es keine Regelung, wie Soldaten, die seelisch verwundet aus einem Einsatz zurückkehrten, behandelt werden sollten. Es scheint fast, als gäbe es diese Soldaten gar nicht.
Vereinzelt gab es Momente, in denen mir mit Verständnis begegnet wurde und ich das Gefühl hatte, dass sich jemand in mich und meine Situation hineinversetzen konnte. Zumeist dann, wenn es demjenigen in einer bestimmten Lage ähnlich ergangen war.
Bei einem Essen zum Beispiel, das Freunde von mir veranstalteten, war der vierundsiebzigjährige Vater der Gastgeberin zugegen. Er saß neben mir, und wir kamen ins Gespräch. Bald schon waren wir beim Thema Krieg angelangt.
Er berichtete von seinen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg. Vom Kornfeld, in dem er sich als Kind vor den Alliierten versteckt hielt. Von den Gefühlen, als er seinen Bruder und seine Mutter nach Jahren der Kriegsgefangenschaft wiedersah. Davon, wie er seine Heimatstadt aufzubauen half. Alles in allem war es, als sprächen wir dieselbe Sprache.
Und als ich sah, wie dieser ältere Herr selbst mehrere Jahrzehnte nach dem Krieg bei seinem Bericht mühsam mit den Tränen kämpfte, war ich sehr gerührt. Während sie ihm langsam über die Wangen rollten und auf seinem Sakko feuchte Flecken hinterließen, wurde mir ganz warm ums Herz vor Mitgefühl und Respekt.
Wie gut konnte ich mir seine Situation im Krieg vorstellen. Das Wiedersehen mit seinen Nächsten, die Freude gepaart mit der Seelenpein, das alles war mir so präsent, als hätte ich es selbst erlebt.
Dieser Mann kannte die Bilder, die Tag für Tag vor mir erschienen. Er kannte die Angst, auch ihn plagten nach so vielen Jahren noch die Flashbacks. Ich hatte den älteren Herrn nie zuvor gesehen, und doch war er mir an jenem Abend näher als mancher enge Freund.
In dieser intensiven Begegnung, in den Geschichten, die der Vater der Gastgeberin erzählte, erfuhr ich zum ersten Mal seit langem, was echte Kameradschaft sein kann. Sich selbst in einem anderen Menschen wiederzufinden, sich gespiegelt zu fühlen - das ist für mich wirkliche Kameradschaft!
Eines Tages, knapp zwei Jahre nach dem Kosovoeinsatz, flatterte mir ein Brief von einem meiner Kameraden aus dem Feldlazarett ins Haus. Erik hatte sich die Mühe gemacht, alle Adressen herauszufinden und unsere Einheit zu einem Kameradschaftsabend einzuladen. Da gehe ich hin, dachte ich.
Am Tag des Wiedersehens war ich aufgeregter als vor einem Date. Ich zweifelte, ob wir uns etwas zu sagen hatten. Würden wir uns nur anschweigen?
Doch meine Ängste waren völlig unbegründet. Zwar war nur ein kleiner Teil unseres Kontingentes gekommen, aber es tat gut, die Kameraden aus dem Kosovo unbeschadet - zumindest
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