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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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uns klar, dass wir unsere Reanimationsmaßnahmen nur noch durchführten, um den Eltern des Jungen zu zeigen, dass alles Menschenmögliche versucht wurde, um ihr Kind zu retten.
    Der Notarzt stellte den Tod fest.
    Nachdem wir unsere Sachen zusammengepackt hatten, lauschte ich in mich hinein - aber zu meinem Erstaunen regte sich nichts in mir. Der Tod des Jungen war tragisch, keine Frage, aber es schien, als wären alle Trauer und all meine Tränen verbraucht - mich rührte der Tod des Jungen an, aber er berührte mich nicht …
    Erst auf der Wache nahm ich wahr, dass ich den gesamten Einsatz auf einer Rasenfläche verbracht hatte. Um mich zu vergewissern,
blickte ich in den Hinterhof der Rettungswache, wo ein Stück Grünfläche war.
    Nichts.
    Kein Herzklopfen.
    Kein Schweißausbruch.
    Kein Herzrasen.
    Vorsichtig schlich ich zu dem Rasenstück, blickte auf die grünen Halme hinab.
    Keine Panik. Noch immer nicht.
    Ich hob ein Bein und hielt es dicht übers Gras.
    Nichts.
    Als ich erst den einen und dann den anderen Fuß auf das Grün setzte, durchfuhr mich eine Freude, die ich vor dem Kosovo-Einsatz gut gekannt hatte. Wie ein junges Reh sprang ich auf der Rasenfläche hin und her und freute mich über die zurückgewonnene Lebensqualität.
    Meine Kollegen, die die Szene von der Veranda aus beobachteten, schüttelten den Kopf.
    Trotz aller neckenden Kommentare, die ich danach zu hören bekam, merkte ich, dass sich die Jungs von der Rettungswache ehrlich mit mir freuten.
    In diesem Augenblick der Freude blitzte ein Hoffnungsfunke in mir auf: Daniela, Gott hat dich nicht verlassen.

Glück ist etwas,
das sich einstellt,
wenn du bereit bist,
der Sinnlosigkeit in deinem Leben
den Rücken zu kehren
und aus Zweifeln und Selbstkritik
eine Plattform erschaffst,
auf der du aus lauter Fragezeichen
in deinem Leben
Ausrufezeichen machst.
    18.
    Kopfschmerzen! Ein bohrender, alles betäubender Schmerz im Kopf hat mich geweckt. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob es Tag oder Nacht ist. Zwar ist es hell, aber das Licht könnte auch von der Nachttischlampe stammen.
    Ich kann kaum noch klar sehen, geschweige denn denken. Überall in meinem Kopf explodiert der Schmerz.
    Ich kann weder essen noch trinken, mich nicht unterhalten oder telefonieren. Es gibt einzig und allein den Wunsch, mit voller Wucht gegen die Wand zu rennen, und die Hoffnung, durch Bewusstlosigkeit erlöst zu werden.
    Oh, mein Gott, denke ich, das Medikament ist aufgebraucht.
    Panik steigt in mir auf.
    Wie soll ich eine solche Attacke ohne Schmerzmittel aushalten? Keine Ahnung, wie viel Zeit vergeht oder was ich tue, aber irgendwann raffe ich mich mit letzter Kraft auf und schleppe mich zum Arzt.

    Zum Glück ist die Praxis gleich um die Ecke, und da ich mich stark konzentriere, komme ich auch dort an - was mir nicht immer gelingt.
    Indem ich in Gedanken jeden Schritt mitzähle, schaffe ich es gerade noch in die Apotheke, dann, wie ein Roboter, nach Hause.
    Augenblick, verweile doch, du bist so schön!
    Von wegen.
    Wie ein gefällter Baum kippe ich aufs Sofa, nehme das Schmerzmittel ein und bete, dass es diesmal besser anschlagen möge als die Male zuvor.

    An einem Menschen mit PTBS, der eine chronische Schmerzsymptomatik aufweist, versucht sich fast jeder Arzt gerne.
    Seit meiner Rückkehr aus dem Kosovo habe ich mehr Arztpraxen von innen gesehen, als mir lieb ist. Es gibt so gut wie keine medizinische Fachrichtung, mit der ich es nicht schon mal versucht hätte. Von Neurologie, Psychiatrie über Orthopädie und Anästhesie, von Heilpraktik bis zur alternativen Medizin und zur Traditionellen Chinesischen Medizin - alles habe ich versucht. Auch Akupunktur, Shiatsu, Akupressur, Gesprächstherapie, Einzeltherapie, stationäre Therapie, EMDR, Ergotherapie und etliches mehr.
    Der Ärztemarathon hatte mir ganz schön zugesetzt, mit jedem neuen Facharzt, mit jeder neuen Therapie war ja auch die Hoffnung verbunden, mein Leid möge gelindert werden.
    Im August 2007 kam ich in eine angesehene Bielefelder Klinik, die auf Patienten mit PTBS spezialisiert war. Dort standen neben Einzel- und Gruppengesprächen täglich Qigong, Ergo- und Aromatherapie auf dem Stundenplan.

    Ich machte gute Miene dazu, obwohl ich merkte, dass all diese Maßnahmen bei mir nicht das Geringste bewirkten. Jeden Morgen stand ich brav um sechs auf und ließ das Tagesprogramm über mich ergehen. Gegen die Langeweile wies ich zwischendurch meine Mitpatienten in Wing Tsun ein, einer asiatischen
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