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Mit der Reife wird man immer juenger

Mit der Reife wird man immer juenger

Titel: Mit der Reife wird man immer juenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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geworden, hatte Launen und »mauderte«, wie man im Schwäbischen sagt. Aber er lebte noch. Beinahe jedem dieser Anfälle von Schlaffheit, Sichgehenlassen und Verdrießlichkeit folgte ein Sichwehren und Aufblühen, ein Zurückstreben in das schöne Vorgestern, und diese Tage – oft waren es nur Stunden – des Wiederauflebens hatten eine besondere, rührende und beinah ängstliche Schönheit, ein verklärtes Septemberlächeln,in dem Sommer und Herbst, Kraft und Müdigkeit, Lebenswille und Schwäche wunderbar gemischt waren. An manchen Tagen kämpfte sich diese Altersschönheit des Sommers langsam und mit Atempausen, Pausen der Erschöpfung, durch, zögernd eroberte das überklare, zarte Licht sich den Horizont und die Berggipfel, und am Abend lag Welt und Himmel in beruhigter, stiller Heiterkeit, kühlklar und weitere helle Tage versprechend. Aber über Nacht ging alles wieder verloren, am Morgen schleifte der Wind schwere Regenschweife über die triefende Landschaft hin, vergessen war das heitre verheißungsvolle Lächeln des Abends, weggewischt die duftigen Farben und aufs neue erloschen und in Müdigkeit ertrunken die helle Tapferheit und der Siegermut nach dem Kampf von gestern.
    Es war nicht nur meinetwegen, daß ich diese Schwankungen und seltsam exzentrischen Umschwünge mit Mißtrauen und einiger Beunruhigung beobachtete. Es war nicht nur mein Alltagsleben, das von diesen Einbrüchen bedroht war und sich auf eine Zeit des Eingesperrtseins in Haus und Stube gefaßt machen mußte. Es stand auch ein wichtiges Ereignis bevor, für das ein freundlicher Himmel und etwas Wärme mehr als erwünscht schienen: der Besuch eines lieben alten Freundes aus Schwaben. Dieser Besuch, schon mehrmals verschoben, war jetzt in wenigen Tagen fällig. Es hätte mir, obwohl der Freund nur für einen einzigen Abend mein Gast sein wollte, einen Verlust bedeutet, wenn Ankunft, Hiersein und Abreise bei unfrohem und finsterem Wetter hätten stattfinden müssen. So sah ich den Krankheiten und Erholungen, dem unruhigen Auf und Ab der Witterung mit Sorge zu. Mein Sohn, der mir während einer langen Abwesenheit meiner Frau Gesellschaft leistete, half mir in Wald und Rebberg, ich tat im Hause meine täglicheArbeit, suchte auch ein Geschenk für den erwarteten Besuch heraus, und abends erzählte ich meinem Sohn ein wenig von dem Erwarteten, von unserer Freundschaft und von dem Wesen und Wirken meines Freundes, der in seinem Lande von den Wissenden als Erbe und Verkörperung der besten Tradition, als einer der guten Geister des Landes verehrt und geliebt wird. Wie leid hätte es mir getan, wenn Otto, der meines Wissens seit Jahrzehnten nicht mehr im Süden gewesen war und der mein Haus, meinen Garten und meine Aussicht übers Seetal noch nie gesehen hatte, dies alles fröstelnd und im naß-düsteren Licht eines Regentags erblickt hätte. Heimlich aber beschäftigte und plagte mich auch noch ein andrer Gedanke, ein eigentümlich beengender und beschämender: Mein Jugendfreund, erst Rechtsanwalt, dann Oberbürgermeister einer Stadt, dann eine Weile Staatsbeamter, dann im Ruhestand mit allerlei, zum Teil wichtigen Ehrenämtern beladen, hatte nie in sehr behaglichen oder gar üppigen Verhältnissen gelebt, hatte unter Hitlers Regiment als nicht gleichzuschaltender Beamter mit großer Familie eine Hungerzeit, dann den Krieg, die Bombardierungen, den Verlust von Heim und Habe erlitten, sich tapfer und heiter mit einem spartanisch bedürfnislosen Leben abgefunden – wie würde es ihm vorkommen, mich hier vom Krieg verschont, in einem geräumig-behaglichen Hause zu finden, mit zwei Arbeitsräumen, mit Dienstboten und mancher Bequemlichkeit, die ich nur schwer hätte entbehren können, die ihm aber wie ein veralteter Luxus erscheinen würde? Gewiß, er wußte um mein Leben so einigermaßen Bescheid, er wußte, daß ich all dies Angenehme und vielleicht Üppige nach langen Entbehrungen unter schweren Verzichten erworben oder geschenkt bekommen habe. Aber trotzdem, mein Wohlstand würde zwar keinen Neid bei ihm,dem vielleicht lautersten meiner Freunde, erwecken können, doch würde er am Ende ein Lächeln unterdrücken müssen über all das Überflüssige und Unnötige, was er bei mir vorfand und was mir nötig zu sein schien. Komische Wege führt einen das Leben: Einst hatte ich manche Hemmungen und Schwierigkeiten, weil ich arm war und Fransen an den Hosen hatte, und jetzt waren es Besitz und Behagen, deren ich mich zu schämen hatte. Mit dem

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