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Mit der Reife wird man immer juenger

Mit der Reife wird man immer juenger

Titel: Mit der Reife wird man immer juenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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vor sich, in Bälde mußte er sich der festlichen Strapaze stellen, und es würde keine kleine Strapaze sein, es standen ihm mancherlei Ehrungen bevor. Ein Jubiläumsgeschenkchen lag auch von mir für ihn schon in Stuttgarter Freundeshänden bereit, ein kleines Bildermanuskript. Kein Zweifel, er würde mit dem Bevorstehenden besser fertig werden als ich, er würde den Feierlichkeiten, Allokutionen, Auszeichnungen mit Würde und Artigkeit zu begegnen wissen und die hundert Händedrücke und Bücklinge sorgfältig erwidern. War er auch nicht so exponiert im Rampenlicht gestanden wie ich, so war doch auch ihm das weise Wort »Bene vixit qui bene latuit« 1 nicht zum Leitspruch des Lebens geworden, er war ein Mann, den viele kannten, der vermutlich außer den Nazis noch andre Feinde gehabt und manchen Kampf bestanden hatte, und der jetzt am Abend seines treuen und arbeitsamen Lebens für die Wissenden zu den unentbehrlichen Repräsentanten schwäbischen Geistes gehörte. Wir sprachen von seinem nah bevorstehenden Ehrentage nicht, wohl aber von jenen Institutionen des heimischen Kulturlebens, die seine Mitarbeit in schweren Zeiten entscheidend gestützt, ja gerettet hatte. Auch von unsern Frauen sprachen wir ein wenig, gedachten der seinen, die in jüngster Zeit krank gewesen war, und der meinen, die seit ein paar Wochen wohlverdiente Ferien angetreten und, ihrer größten Sehnsucht folgend, Ithaka, Kreta und Samos aufgesucht hatte.
    Auch unser zweiter und letzter Abend war vollkommen heiter und harmonisch, brachte eine neue Menge von Funden aus dem Schatz von einst und manchen guten Spruch aus des Freundes Erfahrung. Er war zu gewissenhaft und liebte die Sprache allzusehr, um ein wortgewandter Causeur sein zu können, aber er sprach ohne Anstrengung, nur langsam und mit sorgfältiger Wahl der Worte. Später als beabsichtigt nahmen wir Abschied voneinander, er wollte morgens zu einer Stunde reisen, in der mein Tag noch nicht so recht begonnen hat, und ich wußte ihn von meinem Sohne sorglich begleitet. Beim Abschied lächelten wir einander zu, ohne über das, was wir beide dachten, ein Wort zu sagen: »dieses war nun vielleicht doch das letztemal.«
    Die Tage wurden immer herbstlicher, die Regentage immer finsterer, die heiteren immer kälter, auf vielen Gipfeln lag schon Schnee. Der Sonntag nach meines Gastes Abreise war besonders schön, wir fuhren auf eine Höhe, von der die Walliser Berge zu sehen sind, um die meisten Dörfer her waren die Leute noch mit der Weinlese beschäftigt. Wir freuten uns der farbigen Bilder und wünschten, der Freund möchte diesen Tag noch mit uns erlebt haben, dies Blau, Gold und Weiß der fernen Bergzüge, diese kristallne Heiterkeit der Lüfte, diese bunten Gruppen der Weinleser in den Rebenterrassen.
    Und um eben diese Stunde, wo wir unterwegs seiner dachten, ist mein Freund gestorben.
    Er war wohlbehalten und fröhlich heimgekehrt, hatte mehreren Freunden auf Postkarten von seinem Besuch in Montagnola erzählt, auch meiner Schwester, hatte mir seine Heimkehr gemeldet, war auch gleich wieder von einem seiner Ämter stark in Anspruch genommen worden. Und an jenem Nachmittag, der uns mit so ungewöhnlich edlemLicht und Farbenschimmer beschenkte, war er gestorben, ohne Sträuben, nach einem ganz kurzen Unwohlsein. Ich erfuhr es schon am nächsten Morgen durch ein Telegramm, das mich um ein paar Worte bat, die man am Grabe sprechen könnte, und bald auch durch ein Briefchen seiner Frau. Es lautete: »Am gestrigen Sonntag um zwei Uhr ist mein Mann unerwartet und kampflos gestorben. Er hat bei Ihnen Freundschaft und Liebe erfahren dürfen bei seinem Besuch, und dafür möchte ich Ihnen danken. Seien Sie auch jetzt mit guten Gedanken bei ihm.«
    Ja, ich war mit meinem ganzen Herzen bei ihm. So sehr der Verlust weh tat, vor allem andern schien mir doch dieser Tod eines Mannes, den schon als Lebenden viele gute und bewährte Menschen oft als Vorbild betrachtet hatten, bewundernswert vorbildlich. Verantwortung und treue Arbeit bis zum letzten Tage, und dann kein Krankenlager, keine Klage, kein Appell an Mitleid und Fürsorge, nur ein schlichter, stiller, sanfter Tod. Ein Tod, mit dem man trotz aller Trauer einverstanden sein mußte, ein Tod, der ein tapferes, dienendes Leben sanft beendete und den Freund, der wohl um seine eigene Müdigkeit nicht gewußt hatte, den Ansprüchen der Welt und den Anstrengungen, die das Jubiläum ihm in wenigen Tagen gebracht hätte, freundlich entzog.
Daß er einen

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