Mit der Zeit
hat vor, Sie zu töten, und den Patron und die jungen Leute.«
»Das will er versuchen, ja.« Sie merkte allmählich, daß sie fror, und ich ging mit ihr in den Teil des Stollens, den die Scheinwerfer ein wenig aufgeheizt hatten.
»Wußte der Patron«, fragte ich, »daß er als Preis für die Bucht von Abra von ihnen die Genehmigung verlangen würde, Nervengas an Menschen ausprobieren zu dürfen?«
»Ursprünglich nicht. Aber der Patron wußte, wie fasziniert der Herrscher von diesen Waffen war, und da ging er ähnlich vor wie Sie eben in Ihrem Interview, nur langsamer. Er stellte ihm Fangfragen, er brach Diskussionen vom Zaun und reizte ihn, bis er erregt genug war, Dinge auszuplaudern. Eine Zeitlang glaubte der Patron, der Herrscher habe nur Angst und wolle eigentlich nichts anderes als die geheimen Gegengifte. Aber das war nur eine Hoffnung. Was er will, sind die Gase selbst, die Macht, Menschen auf magisch erscheinende Weise zu töten.«
»Zweifellos wird ihn die Nato abblitzen lassen.«
»Weil er in Fernsehinterviews unbedachte Äußerungen macht?«
»Vielleicht. Dann wird er bei den Russen anklopfen.«
»Und ihnen die Bucht von Abra anbieten? Das ist verrückt. Da würde keiner seiner Herrscherkollegen mitmachen.«
»Sie verstehen nicht, mein Freund. Die Bucht von Abra war der Köder für den Westen, ein Köder, der sie an den Verhandlungstisch brachte, nicht wahr? Sie werden über den Preis nachdenken müssen, sicher, aber sie werden sehr sorgfältig und emotionslos darüber nachdenken. Und es werden nicht Herren von der Art Ihres gutaussehenden Generals Newell und Ihres zivilisierten Herrn Schelm sein, die die Entscheidungen treffen. Der Herrscher würde sich für die Russen einen anderen Köder ausdenken müssen. Oder möglicherweise ein völlig anderes Angebot. Ein offenes und direktes Angebot: er verschafft ihnen die Möglichkeit, Testreihen durchzuführen, und sie üben dafür ihren freundschaftlichen und nachbarlichen Druck auf das neutrale Österreich aus, damit er seine alte Mine behalten und ganz nach Wunsch ausbauen kann. Ja?«
»Sie meinen wohl, Testreihen mit menschlichen Versuchskaninchen. Mit den Insassen seiner Gefängnisse?«
»Die wären ohnehin lieber tot. Und es wäre ihnen gleich, wer sie umbringt.«
»Woher wollen Sie wissen, daß die Nato an diesen Tests interessiert ist?«
Meine Arglosigkeit entlockte ihr ein wehmütiges Lächeln. »Mein lieber Freund, wer sich mit chemischer Kriegsführung befaßt, will immer Tests mit Menschen machen. Die Schwierigkeit ist nur, daß niemand für die Durchführung verantwortlich sein will, oder auch nur für die Forderung nach solchen Tests. Es ist ja so, daß eine Untersuchung mißlicher Unfälle einfach nicht genügend hergibt. Da mischen sich ständig diensteifrige Ärzte ein, die Leben retten wollen. Wenn man kleine Experimente versucht, so wie das im Jemen geschehen ist, dann werden die zu Propagandageschenken für die andere Seite. Und in einem Punkt hatte der Herrscher recht. Gegengifte, die kritische Reaktionszeiten haben können, lassen sich an Tieren nur schwer testen. Man kann ihnen nicht genau sagen, was sie zu ihrer Sicherheit tun müssen, jedenfalls nicht so, daß sie es verstehen.«
Klüvers kam herüber. »Wir könnten jetzt gehen«, sagte er. »Es ist wohl besser, wenn wir Ihnen den Film in unserem Wagen übergeben, meinen Sie nicht? Sicherer?«
Im Aufzug auf dem Weg nach oben erzählte ich Simone, wie ich die Filmübergabe arrangiert hatte. Sie schien zufrieden. »Sie haben dazugelernt«, sagte sie. Fast lachte sie dabei.
Als wir den Aufzug verließen und den Raum hinter dem Museum betraten, sahen wir, daß Zander sich unten auf dem Parkplatz mit Jean-Pierre unterhielt. Wie er vorausgesagt hatte, fand das zweite Treffen des Herrschers mit dem General und Schelm ohne ihn statt. Simone ging hinunter, um Bericht zu erstatten. Ich blieb bei Klüvers und sah, daß der Film meinen Wünschen entsprechend verpackt wurde. Sobald die Päckchen etikettiert waren, ging ich hinüber zu dem Kastenwagen.
Simone hatte getan, worum ich sie gebeten hatte, und Jasmin stand neben dem Kombi, meinen zusammengerollten Regenmantel unter einem Arm und ihre Lederhandtasche am anderen. Ich machte ihr ein Zeichen, und sie kam herüber. Ich nahm den Regenmantel. Zwei der Päckchen, die wir kräftig mit einer 1 und einer 2 markiert hatten, kamen in die seitlichen Manteltaschen. Die anderen beiden, mit den gleichen, wenn auch nicht so kräftigen
Weitere Kostenlose Bücher