Mit der Zeit
verlangen, daß Sie uns derartige Geheimnisse anvertrauen.«
Die Dicktuerei wirkte. Ich konnte fast sehen, wie in ihm der Wunsch, mich zu beeindrucken, mit dem unbehaglichen Gefühl kämpfte, es sei vielleicht doch besser, das Thema zu wechseln. Irgend etwas erregte und beflügelte ihn, und er wollte es mit jemandem teilen, der ihm verständnisvoll zuhörte. Ich glaube, er hatte völlig vergessen, daß er vor einer Filmkamera und einem Mikrofon saß. Er suchte nach einem Ausweg aus seiner Schwierigkeit. Plötzlich glaubte er, einen Weg zu sehen.
»Natürlich«, sagte er vorsichtig, »sind nicht alle diese Dinge geheim. Vieles davon ist allgemein bekannt. Haben Sie zum Beispiel von der Gruppe der Phosphorsäureester gehört, die man Cholinesterase-Blocker nennt?«
»Nein, Eure Hoheit, das kann ich nicht von mir behaupten.«
Ich beobachtete jedoch genau, was in seinem Gesicht vorging, und hatte das Gefühl, daß ich an dieser Stelle nicht abbrechen und auf eine Erklärung von ihm warten durfte, denn sonst würde er wieder vorsichtig werden. Also machte ich einen kleinen Scherz auf meine Kosten. »Aber lassen Sie mich raten. Wäre es korrekt, zu sagen, daß sie im Hinblick auf den Menschen eine Kontraindikation darstellen?«
Er begriff es nicht sofort, aber als der Groschen gefallen war, dachte ich schon, wir würden einen weiteren hysterischen Anfall erleben. Das dröhnende Lachen ging jedoch rasch in ein Kichern über. »Mein Gott, ja«, sagte er schließlich. »Eine Kontraindikation, das kann wohl sagen. Die amerikanischen und britischen Streitkräfte nennen sie Nervengase und tun so, als seien das für sie keine potentiellen Waffen. Das ist natürlich – wie sagt man doch gleich? – Quatsch mit Soße, und sie haben sich Vorräte von einem Gas zugelegt, das sie Sarin nennen. Sie nennen es so, weil die chemische Bezeichnung sehr kompliziert ist. Sarin ist lediglich ein Code-Name. Die sowjetische Version davon nennen sie Soman. Das soll noch stärker und noch fürchterlicher sein. Warum sie überhaupt noch etwas Stärkeres brauchen, weiß ich nicht. Beide Gase greifen das zentrale Nervensystem an. Man nimmt an, daß ein einziges Tröpfchen von einem Milligramm Sarin, von einem gesunden Erwachsenen eingeatmet, zur Lähmung und in weniger als einer Minute zum Tod führt. Aber es braucht nicht eingeatmet zu werden. Jeder Hautkontakt mit einem solchen Tröpfchen Sarin ist tödlich; über die Atemwege geht es nur schneller.«
»Sie sagen, man nimmt an , daß diese Nervengase so tödlich sind, Eure Hoheit. Dabei haben Sie selbst sich ausgiebig mit dem zentralen Nervensystem befaßt. Heißt das, daß am militärischen Wert dieser Gase noch Zweifel bestehen? Wissen Sie nicht mit Sicherheit , daß sie tödlich sind?«
Er beeilte sich, mich zu beruhigen. »O doch, Mr. Halliday, mit absoluter Sicherheit. Es hat Testreihen gegeben. Sarin und Soman haben Menschenaffen, Schafe und andere Säugetiere praktisch auf der Stelle getötet. Krämpfe, Lähmung, Tod. Das ist der Ablauf. Nur von Menschen fehlen uns noch gesicherte Testergebnisse. Das einzige, was wir bisher von den Auswirkungen auf Menschen wissen, geht auf Unfälle zurück. Und da ist bis jetzt nur sehr wenig durchgesickert. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Großbritannien haben die Behörden solche Pannen erfolgreich vertuscht. Das wenige, was durchgedrungen ist, war von geringem militärischem Wert und vom wissenschaftlichen Standpunkt aus wertlos. Nur der Unfall bei Swerdlowsk in der Sowjetunion war so schwerwiegend, daß er nicht vertuscht werden konnte. Vom Wind verwehte Tröpfchen sorgten für über hundert Tote und sehr viele Schwerkranke. Die sowjetische Propaganda sprach von einer Virus-Epidemie, aber niemand glaubte ihnen. Es war eine Panne bei der Herstellung. Aber wissenschaftliche Informationen waren auch dort nicht zu bekommen.«
»Sie sagen, diese Substanzen können durch die Haut aufgenommen werden? Heißt das, daß Gasmasken nichts nützen?«
»Nur die totale Abschirmung wird Ihnen etwas nützen, Mr. Halliday, ein Spezialanzug, der hermetisch versiegelt und später zur Entseuchung abgewaschen werden kann. Bei den neuen Panzern wird dieser Gesichtspunkt berücksichtigt, soviel ich weiß. Man braucht etwas, das sich eine Zeitlang versiegeln läßt, bis es mit den richtigen Chemikalien gereinigt werden kann.«
»Und was ist mit einer druckfesten Kabine, etwa dem Innenraum eines Flugzeuges? Wäre man da sicher?«
Er tat so, als habe er
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