Mit der Zeit
einigermaßen freundlich sein.
»Es freut mich«, sagte er, »daß sich die Idee, ungeprobt in das Interview zu gehen, als richtig erwiesen hat. Beim erstenmal ist das immer ein Risiko, aber meistens ein Risiko, das sich lohnt.«
Wir gaben uns die Hand, ich dankte seinem Fahrer für die Geduld, und Rainer griff nach dem Mikrofon am Autoradio, vermutlich, um seinem Lastwagenfahrer zu sagen, die Begleitschutz-Mission sei erfolgreich abgeschlossen und die Heimfahrt könne angetreten werden. Und dann begann ich – obwohl Zander mir deutlich gesagt hatte, ich würde im Alleingang nicht über den Flughafen hinauskommen – mich zu fragen, ob ich mich nicht sehr dumm verhielt, ob es nicht viel sinnvoller war, wenn ich auf der Stelle den Plan änderte und, so wie ich es ursprünglich vorgehabt hatte, Rainer bat, mich nach Wien mitzunehmen.
Zander stand, in ein ernsthaftes Gespräch mit Guido vertieft, neben dem Kastenwagen der Ortofilm, aber als ich nun zum Kombi zurückging, sah ich, wie er sich schnell umdrehte. Der Citroën hatte hinter dem ORF-Lastwagen geparkt, doch nun war einer der schnauzbärtigen Männer ausgestiegen und ging auf Zander zu.
Er war Mitte Dreißig und hatte ein knochiges, kantiges Gesicht, ein gutaussehender Mann, der den Schnurrbart zur Bestätigung seiner Männlichkeit gar nicht gebraucht hätte. Er trug einen modischen italienischen Anzug, der kaum zerknittert war, und er hatte jenen von Natur aus eleganten Gang, der genau weiß, daß er beobachtet wird, und der an bewundernde Blicke gewöhnt ist. Als ihm Zander entgegentrat, hob er kurz die Hände, um zu zeigen, daß sie leer waren, und lächelte. Seine Zähne waren makellos.
Ich war inzwischen beim Kombi und sah, daß auch Simone die Szene beobachtete.
»Es ist Bourger«, sagte sie. »Dieses breite Lächeln setzte er immer auf, wenn er etwas haben wollte, was ihm nicht gehörte. Am besten warten Sie bei mir im Auto ab, was geschieht. Überlassen Sie das den beiden.«
Ich setzte mich auf den Beifahrersitz neben sie. Sie verfolgte sie im Rückspiegel. Rainers Kamerawagen brauste los, zurück auf die Autobahn und nach Wien.
»Als Sie gerade eben mit ihm redeten«, sagte sie, »und ihm den Film gaben, dachte ich für einen Moment, Sie würden den Rat des Patrons nun doch nicht befolgen. Ich dachte, Sie würden mit Herrn Rainer wegfahren.«
»Ich habe daran gedacht, ja.«
»Bourger rechnete übrigens auch mit der Möglichkeit. Er hatte einen Mann in das Café geschickt, der Sie von der Telefonzelle aus beobachtete. Hätten Sie sich entschieden, mit Rainer zu gehen, wäre dies zweifellos sehr schnell ihrem Kontaktmann in Wien mitgeteilt worden. Bourger wartete also ab. Und jetzt, wo er weiß, daß Sie bei uns bleiben und daß er alles in einem Aufwasch erledigen kann, tritt er an den Patron heran.«
»Glauben Sie immer noch an ein Abkommen?«
»Wenn jetzt noch ein solches Angebot gemacht würde, wäre ich schon sehr überrascht. Wenn diese Möglichkeit überhaupt je bestanden hätte, wäre schon vor Monaten darüber diskutiert worden.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich will nicht sagen, daß es völlig ausgeschlossen ist. Wenn jemand wie der Herrscher mit im Spiel ist, ist alles möglich. Aber eins können Sie mir glauben. Wie immer die Befehle aussehen mögen, die Bourger durchzuführen hat, er wird in jedem Fall den Patron zu überreden versuchen, ihm und seinem Team die Arbeit zu erleichtern. Wissen Sie, ich war ein sehr aufmerksames Kind, und ich habe an Bourger drei Dinge bemerkt. Warum lächeln Sie?«
»Das war kein Lächeln. Ich habe mir nur vorgestellt, wie Sie im Alter von neun Jahren Bourger beobachteten. Was haben Sie an ihm bemerkt?«
»Daß er sehr eitel war, natürlich, aber das war ich auch. Er hatte zwei Besonderheiten. Er war sehr – wie sagt man doch? – apathisch. Und er verwechselte immer Schlauheit mit Klugheit. Er begriff nie, daß sich Schlauheit auch von dummen Menschen erlernen läßt.«
»Er hat immerhin vier Polizisten umgebracht, ohne sich erwischen zu lassen. Und er arbeitet für Rasmuk. Irgendwas muß er schon haben.«
»Hat er auch. Man braucht nicht bescheiden oder klug oder energiegeladen zu sein, um ein tüchtiger Killer zu werden. Man braucht nur gewisse seelische Verhärtungen und ein Feingefühl für die Arbeit. Der Patron kommt zurück.«
Ich machte die Tür auf, um auszusteigen und ihm Platz zu machen, aber er sagte mir mit einer Handbewegung, ich solle sitzen bleiben, und stieg hinter uns
Weitere Kostenlose Bücher