Mit der Zeit
klarmachen müssen, daß er guten Freunden in Paris nur einen Wink zu geben brauchte, um ihn zu ruinieren, und zwar sowohl als unabhängigen Filmemacher als auch mit gewissen Methoden physischer Demütigung. Erst dann hatte der Kerl Vernunft angenommen. Das alles hatte eine Menge Zeit gekostet. Jedenfalls standen die Fahrzeuge nun auf einem Rastplatz neben den in östlicher Richtung führenden Fahrbahnen der Autoroute bei Begnins. Der Bus stand in dem Parkgebäude in Cointrin. Je früher wir uns daran machten, die verlorene Zeit hereinzuholen, sagte er, desto besser.
Die TV-Fahrzeuge waren ein Citroën-Kastenwagen und ein Peugeot-Kombi. Der Kastenwagen war so umgebaut worden, daß er nun drei vollwertige Liegesitze hatte, die als Schlafkojen zu benützen waren. Dahinter waren in Fächern und Schränken und Haltegurten all die Dinge verstaut, die mir wie die übliche Ausstattung eines mobilen TV-Aufnahmeteams vorkamen: die abgenützten Behälter der Kameras und Filmmagazine, die Stative, die Scheinwerfer mit ihren Stativen, die Kisten mit den Aggregaten, die Kabelkästen und die Hochleistungskabel. Auf einem Dachständer befanden sich eine zusammenklappbare Bühne und, darauf festgeschnallt, ein Paar Stehleitern. An beiden Seiten des Kastenwagens befand sich ein Emblem, das einen stilisierten Vogel darstellte, und dazu die Worte ORT ofilm ORT ofilm in schwarzen Buchstaben auf orangefarbenem Hintergrund. Darunter stand in sehr kleinen Buchstaben die Firmenbezeichnung – Productions Radio-TV Ortofilm S. A. Paris. Der Kombi trug an den Seiten die gleichen Aufschriften. Mir ging durch den Kopf, daß der Ortolan deshalb ins Firmenemblem aufgenommen wurde, weil seine Anfangssilbe an jenes Akronym erinnert, das vom staatlichen französischen Fernsehen benützt wird.
»Wie finden Sie es, wie sieht es aus?« fragte Zander.
»Überzeugend. Es sieht echt aus. Warum sollte es auch nicht? Es ist echt.«
»Ja.« Er deutete auf die Kamerabehälter. »Die sind leider leer. Wir können nur hoffen, daß uns die Österreicher nicht zu genau überprüfen.«
»Kein Gesetz verbietet uns, ohne Kameraausrüstung zu reisen. Wenn sie neugierige Fragen stellen, könnten Sie sagen, Sie hätten vor, die Ausrüstung in Wien zu mieten.«
»Könnten wir sie denn mieten?«
»Ich weiß nicht. Wahrscheinlich schon. Warum denn nicht? Sind Ihre Papiere in Ordnung?«
»O ja. Außer Ihnen haben wir alle französische Pässe. Wir führen keine Schmuggelware mit. Wir hoffen, daß man uns für das hält, was wir scheinen, ein Fernsehteam aus Paris mit einem amerikanischen Journalisten, das in Österreich ein aktuelles Interview aufnehmen will.«
»Wo werden wir heute übernachten? Sie vergessen doch nicht, daß ich einen Fernschreibanschluß brauche?«
»Sie werden ihn bekommen, Mr. Halliday. Und ich hoffe, Sie vergessen nicht, daß ich erwarte, von diesem Militärischen Stellvertreter des Oberbefehlshabers der Nato Strike Force South den Namen zu erfahren. Ich muß dem Herrscher vor dem Zusammentreffen versichern können, daß er es nicht mit einem Hochstapler, mit irgendeinem kleinen Würstchen, zu tun haben wird.«
»Das ist klar. Sie bekommen den Namen.«
»Ich hoffe, es wird der richtige sein. Die heutige Nacht verbringen wir, glaube ich, in der Nähe von Zug. Und morgen früh werden wir dann über die österreichische Grenze gehen. Am Montagvormittag ist der Verkehr im allgemeinen nicht so stark. Aha, da kommt Simone.«
Sie hatte den Alfasud zusammen mit dem VW-Bus in die Garage gebracht und war anschließend mit Guido in dem Kombi zurückgefahren. Inzwischen war es halb zwei geworden. Zander entschied, daß wir auf das Mittagessen verzichten müßten. Zuviel Zeit sei bereits verlorengegangen. Der Kombi, gesteuert von Simone, sollte unter seiner Führung und mit mir auf dem Rücksitz vorausfahren, der Kastenwagen dichtauf folgen. Eine kleine Pause für Kaffee und Sandwiches könnten wir uns vielleicht irgendwo hinter Bern leisten, wenn Zürich nicht mehr allzu weit weg sei.
Tatsächlich legten wir zwei Pausen ein, und beide Male bekamen wir nichts zu essen oder zu trinken. Das erstemal hielten wir an einer großen Raststätte mit mehreren Tankstellen, Getränkeautomaten, einem Selbstbedienungsrestaurant, einem Laden mit allerlei Krimskrams und einer Menge Parkplätze. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien das bei den einheimischen Sonntagsfahrern und ihren Familien ein beliebter Rastplatz zu sein. In dem Laden und im Restaurant
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