Mit der Zeit
an beiden Schultern zu tragen, und dazu einen weißen Rollkragenpullover aus Seide. Ich hatte das an, was ich eigentlich immer anhabe, und hatte das Gefühl, selbst noch für einen Interviewer zu vornehm gekleidet zu sein.
Wir hatten die leichtere Route, und so fuhren wir erst eine Stunde nach den anderen los. Zuerst ging es in südlicher Richtung nach Novara und dann auf der Autostrada nach Norden über die Abzweigung bei Ivrea. Die Schweiz erreichten wir durch den langen St.-Bernard-Tunnel. Auf der italienischen Seite des Tunnels warfen sie von außen einen flüchtigen Blick auf unsere Pässe, aber den Schweizern war selbst das zuviel Arbeit. Mir fiel auf, daß Zander und Vielle französische Pässe hatten.
Das Motel, das für unsere erste Übernachtung ausgewählt worden war, kam ganz kurz vor Genf, nicht weit von Coppet. Chihanis Gruppe war vor uns angekommen und hatte sich bereits eingeschrieben. Zu dem Motel gehörte eine Brasserie mit Bar, und es wurde ausgemacht, daß wir Chihani in der Bar treffen würden, sobald wir uns frisch gemacht hatten. Allerdings hatte sie erst noch etwas zu fragen. »Die jungen Leute«, sagte sie, hätten auf der Herfahrt eine Diskothek entdeckt und um Erlaubnis gebeten, dort ein paar Stunden zu verbringen. Sie sei dafür, ihnen die Erlaubnis zu geben. Sie würden kurz nach elf wieder zurück sein.
Zander stimmte ihr zu. »Sie haben in den letzten Tagen gute Arbeit geleistet«, sagte er. »Warum sollten sie sich nicht ein bißchen amüsieren? Vielleicht findet Mokhtar eine kleine Schweizerin, die ihm gefällt.«
An uns Ältere hingegen legte Chihani ganz andere Maßstäbe an. Wir saßen bei Weißwein in der Bar, als das Theater losging. Vielle war der Auslöser, als er Zander an ein gutes Restaurant in Genf erinnerte, das sie beide kannten.
»Cuisine de minceur«, erklärte er mir eifrig; »Saucen von erlesenem Geschmack. Das würde auch Ihnen zusagen, Mr. Halliday, das versichere ich Ihnen.« Er wandte sich wieder an Zander. »Warum rufe ich nicht an und lasse einen Tisch reservieren, Patron?«
Ich wußte bereits, daß Vielle Chihani nicht mochte, und hatte vermutet, daß er auf ihre Beziehung zu Zander, wie immer die aussah, ebenso eifersüchtig war wie auf die Autorität, die Zander ihr in Sicherheitsfragen übertragen hatte. Es war auch klar, daß Vielle den Tisch für drei reservieren lassen wollte. Für sie galt die Einladung nicht. Aber ich glaube nicht, daß sie das überhaupt bemerkte. Ihre Reaktion kam geradewegs aus dem Buch.
»Nein! Auf keinen Fall, Patron. Warum allein dem Magen zuliebe unnötige und absurde Risiken eingehen?«
Zander warf einen kurzen Blick auf Vielle und sah sich dann in der Bar um. Außer ihnen war niemand in dem Raum, und der Barkeeper, der zugleich Kellner in der Brasserie war, war gerade draußen, um sich um die Fondue oder die Raclettes zu kümmern. Wir konnten uns mehr oder weniger frei aussprechen. Vielle vergeudete keine Zeit.
Er begann mit den schwerfälligen sarkastischen Bemerkungen, so charakteristisch für die ersten Stadien eines französischen Wutanfalls. »Ich bitte um Verzeihung, Madame. Ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung, Madame. Es war mir nicht im geringsten bewußt, daß ich mir die Freiheit herausgenommen hatte, Sie in irgendeiner Sache anzureden, geschweige denn, Sie wegen eines Restaurants um Rat zu fragen, in dem ich mit Freunden zu speisen gedenke. Bitte verzeihen Sie mir, Madame. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, daß Sie vermuten könnten, ich würde Sie erst um Erlaubnis bitten, bevor ich etwas unternehme, oder ich würde in irgendeiner Sache Ihren geschätzten Rat einholen!«
Chihani blickte nicht einmal in Vielles Richtung. Sie hatte Zander im Auge behalten. Mit einer plötzlichen Handbewegung zog sie meine Aufmerksamkeit auf sich, als sie ihm antwortete. Sie war gelassen und ihrer selbst ganz sicher.
»Patron, Sie reisen mit falschem Namen und mit einem Paß, der zwar gut, aber nicht perfekt ist. Ihr Gesicht kennt man in Genf. Es ist auch in dem erwähnten Restaurant wohlbekannt. Die Wahrscheinlichkeit, daß Sie erkannt werden, ist groß. Dieses Lokal wird auch viel von älteren Journalisten mit Spesenkonten besucht. Mr. Halliday könnte leicht erkannt und ausgefragt werden, weshalb er in Genf ist und nicht in New York oder Pennsylvania. Es wären sicherlich freundschaftliche Fragen, und er könnte sich irgendeine Geschichte ausdenken, aber wie soll er seine Tischgefährten vorstellen? Als Monsieur
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