Mit der Zeit
Iks und Monsieur Igrek? Nein. Die erlesenen Saucen können bis später warten. Wir sollten hier essen, einfach und diskret, und uns dann auf unsere Zimmer zurückziehen.«
»Madame ist so freundlich, Befehle bezüglich unseres Wohlbefindens zu erteilen«, begann Vielle grimmig, aber sie unterbrach ihn einfach, indem sie mit ihrem Glas auf den Tisch schlug.
»Die Befehle haben nichts mit Ihrem Wohlbefinden zu tun«, schnaubte sie; »es geht um die Sicherheit der Operation. Dafür hat man mir die Verantwortung übertragen. Wenn Sie selbst, Jean-Pierre, in dieses Restaurant gehen wollen, hält Sie nichts auf. Lassen Sie sich einen Tisch reservieren und rufen Sie ein Taxi. Wenn man Sie erkennt, spielt das keine Rolle. Sie haben Ihren eigenen Namen und Ihren Paß, und niemand wird es interessieren, weshalb sie dort sind. Dafür könnte es ein Dutzend Gründe geben, und sie wären alle belanglos. Also dann, gehen Sie schon. Guten Appetit. Aber muten Sie mir nicht zu, die ganze Operation zu gefährden.«
Vielle war rot vor Zorn. »Madame«, sagte er, »ich mute Ihnen überhaupt nichts zu, nur, daß Sie schweigen und …«
Er brach ab, um kurz zu schlucken, und Zander nützte das geschickt aus. »Trotzdem, Jean-Pierre, wahrscheinlich ist etwas dran an dem, was Simone sagt.«
Seine Stimme klang bedauernd und tröstlich, aber ich sah, daß ihm die Szene Spaß machte. Unter den Industriekapitänen, die ich im Laufe der Zeit einigermaßen gut kennengelernt habe, hat es immer als guter, sauberer Spaß gegolten, bei Streitereien zwischen konkurrierenden Untergebenen den Schiedsrichter zu spielen. Und wenn ein dienstälterer Untergebener von einem vergleichsweise jüngeren herausgefordert wird, um so besser. Dann steht mehr auf dem Spiel. Die Wogen schlagen höher. Und vielleicht fließt Blut.
»An dem, was sie sagt, ist immer etwas dran«, sagte Vielle bitter. »Dieses Etwas ist ihr Versuch, sich zur Geltung zu bringen. Wie? Indem sie Gefühle der Zuneigung innerhalb der Familie ausnützt und indem sie jedes Problem, sogar das der Auswahl eines Restaurants, auf ein Sicherheitsproblem reduziert. Und sie hat die Frechheit, mir mit Verantwortung daherzukommen, mir, der seit zwanzig Jahren ihr Kollege ist.«
Zanders Augen lachten fröhlich. »Aber sie hat nun mal dafür die Verantwortung, Jean-Pierre. Sie ist ihr übertragen worden. Mein lieber alter Freund, Sie haben dieser Abmachung selbst zugestimmt.«
»Vielleicht«, sagte Chihani artig, »hat Jean-Pierre das Gefühl, ich sei von dem Thema besessen, ich sei zu ernst geworden.«
Es war eine geschickte Falle, und Vielle stolperte prompt hinein. »Nein, Simone, meiner Meinung nach sind Sie nur ernst, weil Sie darin ein Mittel sehen, sich wichtig zu machen.«
»Wollen Sie damit sagen, wir – ich meine nicht Sie, Jean-Pierre, ich meine diejenigen von uns, deren Leben in Gefahr ist – sollten die Sicherheit nicht ernst nehmen?« fragte sie mit einem Blick auf Zander. »Soll ich wegen eines Tisches telefonieren, Patron?«
Aber er war des Spiels langsam überdrüssig. Er wandte sich an mich. »Sie haben noch nichts gesagt, Mr. Halliday. Haben Sie irgendwelche Überlegungen zu unserer Sicherheit angestellt?«
Ich hatte, doch dabei ging es nicht vorwiegend um Restaurants. Chihanis Analyse der Risiken in Genf hatte mich an ein Sicherheitsrisiko erinnert, das wir demnächst eingehen würden und von dem sie noch nichts wußte. Als ich tags zuvor Zander überredet hatte, daß wir ein echtes Fernsehteam brauchten, um unsere Tarnung gegenüber den Österreichern aufrechterhalten zu können, war sie mit Mokhtar und Jasmin in Mailand gewesen, um ihre Helfershelfer in dem Hotel zu entlohnen und mein Gepäck abzuholen. Und als an diesem Vormittag Schelm über den Fernschreiber die Nachricht durchgegeben hatte, daß ein unabhängiges holländisches Team im Anschluß an einen Termin in Jugoslawien am Dienstag am Lindwurm-Treffpunkt zu uns stoßen würde, da war sie bereits losgefahren und auf dem Weg nach Genf. Diese Änderung im Programm war vielleicht nicht sehr schwerwiegend, aber irgend jemand sollte sie informieren. Vielle würde es nicht tun. Vielleicht Zander. Im übrigen äußerte sie sich vernünftiger als der undisziplinierte Vielle. Ich sagte das auch mit aller Entschiedenheit.
»Aus meiner Sicht, Mr. Zander, wäre es der Gipfel der Torheit, dieses Restaurant aufzusuchen. Miss Chihani hat absolut recht, wenn sie sagt, daß man mich dort erkennen könnte. Ich weiß von
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