Mit der Zeit
mindestens vier alten Freunden, die an einem Samstagabend dort sein könnten, und alle an einem Tisch. Mindestens zwei von ihnen würden sich freuen, mich zu sehen, und würden wissen wollen, was mich nach Genf bringt. Es wäre sehr schwer für mich, ihnen eine Lüge so zu erzählen, daß sie mir glauben würden. Ich ziehe jedenfalls die Brasserie hier vor.«
Vielle stieß erregt den Atem aus, doch Zander überstimmte ihn, und damit schien der Fall erledigt. Aber noch nicht ganz.
Als ich im Bett lag und auszurechnen versuchte, wieviel Uhr es jetzt wohl in Bucks County war, und mir überlegte, ob ich die Schlaftabletten jetzt gleich nehmen oder lieber warten und noch ein paar Stunden wachliegen sollte, da hörte ich, wie ganz behutsam ein Schlüssel in das Schloß an meiner Zimmertür gesteckt wurde. Der Schlüssel drehte sich. Die Tür öffnete sich einen Spalt weit.
Das war beunruhigend, da ich die Tür von innen verschlossen hatte. Ich hatte mich dann noch einmal vergewissert, daß sie auch wirklich zu war, und anschließend meinen Schlüssel auf die Kommode gelegt. Ich dachte, wie sehr müssen sich die Verhältnisse in der Schweiz verändert haben, wenn man nun auch dort in seinem Motelzimmer überfallen werden konnte. Ich überlegte mir auch, was – außer einem zusätzlichen Kopfkissen – griffbereit in meiner Reichweite als Waffe zu gebrauchen war. Es gab keine Nachttischlampe, nur Wandleuchten, und der Eindringling war nun im Zimmer. Die Tür ging leise zu.
»Noch wach?« Es war ein Flüstern.
»Ja.«
Die Jalousien waren geschlossen und die Vorhänge zu. Es war sehr dunkel. Ich ahnte mehr, als daß ich sah, wie sie näher kam und stehenblieb.
»Ich wollte Ihnen dafür danken, daß Sie mich heute abend unterstützten«, sagte sie; »Sie waren eine sehr große Hilfe.« Sie redete immer noch im Flüsterton.
»Ich sagte nur, was ich dachte. Sie hatten völlig recht. Jean-Pierre lag völlig daneben. Und benahm sich idiotisch. Klauen Sie eigentlich überall Hauptschlüssel, wo Sie hinkommen?«
»Hier ist das nicht nötig. In Häusern wie diesem liegen am Empfang in dem Fach für ein Doppelzimmer immer zwei Schlüssel.«
Ich brauchte ein, zwei Sekunden, bis ich begriff, daß sie aus ihren Hosen stieg, daß sie gerade erst geduscht hatte und daß die Seife, nach der sie duftete, nichts mit dem von der Direktion kostenlos zur Verfügung gestellten bain-moussant zu tun hatte. Als sie sich vollends ausgezogen hatte, glitt sie zu mir unter die Decke. Es wurde nichts mehr gesagt. Viel mehr schien nicht mehr zu sagen zu sein. Ich wurde für gutes Betragen belohnt.
Es muß etwa halb zwölf gewesen sein, als die jungen Leute von der Disco zurückkamen. Es hörte sich an, als hätten auch sie sich gut amüsiert. Sobald es draußen ruhig geworden war, zog sie sich an und ging. Ich hatte keine Schwierigkeiten mehr mit dem Einschlafen.
Die Vereinbarungen zur Übernahme der Fahrzeuge von dem französischen Fernsehteam hatte Vielles Pariser Büro getroffen, über das offenbar die meisten europäischen Geschäfte der verschiedenen Zander-Organisationen liefen. Die Übergabe sollte um zehn Uhr dreißig auf dem Besucherparkplatz des Palais des Nations stattfinden. Dort würde der französische Produzent den noch ausstehenden Teil der Pachtgebühr bar in westdeutschen Mark ausbezahlt bekommen und außerdem – als rückzahlbare Kaution – einen nachdatierten Scheck in Schweizer Franken erhalten, ausgestellt von der Genfer Niederlassung der American Express International Bank. Er würde die Fahrzeuge und das dazugehörige Gerät liefern und dazu die grünen Versicherungskarten, auf denen die Namen zusätzlicher autorisierter Fahrer vermerkt sein mußten. Um zehn machte sich Vielle mit einer dicken Aktentasche auf den Weg, gefahren von Chihani in dem Alfasud. Die jungen Leute folgten im VW-Bus.
Der Alfasud kehrte um Mittag zurück. Vielle saß am Steuer, und er war sehr schlecht gelaunt. Nach seinen Angaben war ihm der französische Produzent auf ganz schäbige Weise mit kleinlicher Geldgier und massivem Mißtrauen begegnet. Dieser kleine Gauner hatte versucht, die ausgemachte Pachtgebühr in die Höhe zu treiben, er hatte sich über die Abmachungen hinweggesetzt und einfach den größten Teil der Kameraausrüstung zurückbehalten und hatte dann auch noch die Unverfrorenheit, die Gültigkeit des nachdatierten Schecks anzuzweifeln, in der Hoffnung, noch mehr Bargeld herauszuschlagen. Vielle hatte dem Burschen erst
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