Mit der Zeit
herrschte Hochbetrieb, aber viele Leute hatten dort einfach ihren Wagen abgestellt und gingen auf dem Gelände spazieren, als sei das hier eine besonders schöne Gegend.
Wir fuhren zuerst an eine der Tankstellen, denn der französische Produzent hatte es versäumt, nach seiner Anfahrt aus Paris die Tanks wieder vollzumachen. Bis wir beide Tanks und die Reservekanister gefüllt hatten, hatte sich eine Menschenmenge um uns versammelt. Zunächst einmal glotzten sie nur, doch dann begannen sie in den Kastenwagen zu spähen und Fragen zu stellen. Vielle ging auf die Toilette. Zander mußte sich den Fragen stellen – die meisten waren sowieso auf deutsch – und stand bald im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Das hatte er nicht erwartet, und es paßte ihm gar nicht. Als wir auf das Restaurant zugingen, folgte uns die Menge. Sobald er das merkte, machte er kehrt. Er hatte die Nase voll.
»Wir können nicht hierbleiben«, sagte er zu Chihani. »Sag Jean-Pierre Bescheid. Wenn nicht noch jemand rasch die Toilette benutzen will, fahren wir sofort weiter.«
Als wir wieder auf der Straße waren, drehte er sich nach mir um. »Sind die hier alle verrückt?« wollte er wissen.
»Was haben sie denn gefragt?«
»Verrücktes Zeug. Was für ein Programm machen wir? Wie heißt es? Ist es auch für die Sender in der deutschsprachigen Schweiz oder nur für die französische Schweiz und Frankreich? Das ist naheliegend. Ich sage, es gibt einen Dokumentarfilm über Asthma. Das hätte ich mir genausogut sparen können. Sie fragen pausenlos weiter. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was macht Simone? Ist sie eine Schauspielerin? Bin ich ein Star? Wer sind Sie? Warum tragen Sie eine Krawatte und ich nicht? Die hören gar nicht auf das, was man sagt. Die wollen nur reden und ihre blöden Gesichter zeigen. Die Eltern sind so schlimm wie die Kinder. Sind Sie Amerikaner? Aus welcher Gegend Deutschlands komme ich, mit diesem merkwürdigen Akzent? Warum habe ich arabische Mitarbeiter? Tatsächlich, auch das haben sie gefragt. Einer von diesen Leuten hörte Mokhtar mit Jasmin sprechen und hielt das für Arabisch. Sind Sie ein berühmter Star, der früher in Cowboyfilmen mitspielte, oder sind Sie der Kameramann? Bin ich Monsieur Orto persönlich? Zürich ist gar nicht weit, und hier laufen alle diese verrückten Leute herum.«
»Sie haben nur die Öffentlichkeit kennengelernt, Mr. Zander, das ist alles. Sie sollten sich freuen.«
»Wie meinen Sie das? Worüber sollte ich mich freuen?«
»Auf die Uneingeweihten wirken wir offenbar wie Mitglieder jener neuen und privilegierten Klasse, von der Sie mir erzählten.«
»Mir geht es um eine sichere Tarnung und nicht um die Auseinandersetzung mit solchen Schwachköpfen.«
»Sie sollten sich an den Gedanken gewöhnen, daß das in diesem Fall manchmal ein und dasselbe ist. Sie haben heute nachmittag Glück gehabt, Mr. Zander. Sie wissen jetzt besser, womit Sie zu rechnen haben, und Sie haben es an einem Ort herausgefunden, wo es keine Rolle spielte, was irgend jemand über Sie und Ihre Reaktionen dachte oder sagte. Betrachten Sie es als einen Probedurchlauf.«
»Einen was?«
»Ein Auftreten vor einer Kamera, die zwar läuft, in die aber kein Film eingelegt worden ist. Eine Gefechtsübung ohne scharfe Munition.«
Die Augen wurden hart. »Wer nicht mit scharfer Munition schießt, wird nie ein erfahrener Kämpfer«, sagte er und blickte von mir weg auf die Straße. »Vielleicht ist es am besten so«, fügte er düster hinzu, »daß nur noch ein einziger Kampf auszutragen ist.«
Danach schwieg er lange. Ich konnte mir schon denken, was in ihm vorging. Er war es gewohnt, Erfolg zu haben. Eine Menge sorgfältiger und komplizierter Überlegungen war in diese Operation eingeflossen, und bisher hatte alles glänzend geklappt. Und plötzlich mußte er es hinnehmen, daß sein raffinierter Plan möglicherweise einen Fehler enthielt und daß ihm an irgendeiner Stelle eine falsche Beurteilung unterlaufen sein mußte. Er versuchte nun, sie zu identifizieren und ausfindig zu machen. Danach würde er den Irrtum entweder wiedergutmachen oder neutralisieren. Aber wo sollte er anfangen, danach zu suchen?
Ich wußte es. Und ich wußte außerdem, daß ich ihm noch so beredt klarmachen konnte, wo er den Fehler gemacht hatte – er würde mir niemals glauben.
An dem, was er über Fernsehteams gesagt hatte, war durchaus etwas Wahres gewesen. Viele von ihnen – darunter manchmal auch einige der selbständigen Teams –
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