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Mit dir an meiner Seite

Mit dir an meiner Seite

Titel: Mit dir an meiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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bedeckte alle sichtbaren Oberflächen, aber im vorderen Teil des Kirchenschiffs, wo vermutlich Pastor Harris sonst immer stand, wenn er sonntags predigte, saß ihr Vater an einem nagelneuen Flügel - der vollkommen deplatziert wirkte. Eine alte Aluminiumlampe an einem Verlängerungskabel diente als einzige Lichtquelle.
    Er hatte nicht gehört, dass sie hereinkam, und spielte unbeirrt weiter. Ronnie kannte das Stück nicht, es hörte sich zeitgenössisch an, ganz anders als die Werke, die er sonst spielte, und selbst in Ronnies Ohren klang es ... irgendwie unvollendet. Ihr Vater schien das auch zu merken, denn er hielt plötzlich inne, zögerte kurz und fing noch einmal von vorn an.
    Sie merkte, dass er subtile harmonische Veränderungen vornahm, die durchaus eine Verbesserung bedeuteten, aber trotzdem stimmte die Melodieführung nicht ganz. Ronnie war richtig stolz auf sich, dass sie immer noch fähig war, sich beim Zuhören sofort mögliche Variationen vorzustellen. Als sie noch jünger war, hatte speziell diese Begabung ihren Vater immer wieder in Erstaunen versetzt. Er nahm noch einmal Anlauf, korrigierte wieder etwas, und man konnte ihm ansehen, dass er glücklich war. Ronnie hatte die Musik aus ihrem Leben verbannt, aber bei ihrem Vater war das anders, und plötzlich bekam sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm zu Hause etwas so Zentrales fortgenommen hatte. Ihr war es immer so vorgekommen, als wollte er sie zum Spielen zwingen - aber hatte er das wirklich versucht? War es überhaupt um sie gegangen? Oder hatte Dad Klavier gespielt, weil das ein elementarer Bestandteil seines Lebens war?
    Während sie da in der Kirche stand und ihn beobachtete, war sie ganz ergriffen von seiner Komposition. Wie ernsthaft er über jede einzelne Note nachdachte, wie mühelos er die notwendigen Veränderungen vornahm - auf einmal begriff sie, dass er ihretwegen sehr viel aufgegeben hatte. Weil sie so kindisch und trotzig war.
    Dad hustete, einmal, noch einmal. Er musste aufhören zu spielen, denn jetzt schüttelte ihn der Husten regelrecht und steigerte sich zu einem würgenden, schleimigen Röcheln. Besorgt eilte Ronnie zu ihm. »Dad!«, rief sie. »Ist alles okay?«
    Als er hochblickte, ließ der Hustenanfall etwas nach. Nur noch ein leises Keuchen war zu hören.
    »Alles in Ordnung«, beruhigte ihr Vater sie mit schwacher Stimme. »Hier in der Kirche ist so viel Staub - nach einer Weile fange ich immer an zu husten.«
    Sie betrachtete ihn ängstlich. Er sah sehr blass aus. »Bist du sicher, dass es nur am Staub liegt?«
    »Ja, natürlich.« Er tätschelte ihre Hand. »Was tust du hier?«
    »Jonah hat mir gesagt, dass du in der Kirche bist.«
    »Tja - jetzt hast du mich ertappt.«
    Mit einer hilflosen Handbewegung stammelte sie: »Ach, Dad - das ist doch okay.«
    Weil er nicht reagierte, zeigte sie auf die Tasten. Sie musste an all die Melodien und Stücke denken, die sie gemeinsam komponiert hatten. »Was war das, was du gerade gespielt hast? Schreibst du ein neues Stück?«
    »Ach, weißt du - ich versuche, etwas zu schreiben. Keine große Sache.«
    »Mir hat es gefallen.«
    »Aber es ist noch nicht gut. Ich komme nur nicht dahinter, was nicht stimmt. Vielleicht weißt du es - du konntest schon immer besser komponieren als ich. Irgendwie kriege ich es nicht hin.«
    »Nein, ich fand es wirklich gut«, wiederholte Ronnie. »Und es war ... moderner als die Sachen, die du sonst spielst.«
    Er lächelte. »Du hast das gleich gemerkt, was? Am Anfang war es ganz anders. Ehrlich gesagt - ich habe keine Ahnung, was in mich gefahren ist.«
    »Vielleicht hast du die Songs auf meinem iPod gehört.«
    »Nein, ich kann dir versichern, ich habe deinen iPod nicht angerührt.« Wieder lächelte er liebevoll.
    Ronnie blickte sich um. »Weißt du, wann die Kirche fertig sein soll?«
    »Keine Ahnung. Habe ich dir schon erzählt, dass die Versicherung leider nicht die Gesamtsumme übernimmt? Deshalb ist jetzt erst mal alles auf Eis gelegt.«
    »Und was ist mit dem Fenster?«
    »Ich mache es trotzdem zu Ende.« Er deutete auf die Öffnung in der Wand hinter ihm, die mit Sperrholz vernagelt war. »Da kommt es hin - und wenn ich es mit eigenen Händen einsetzen muss.«
    »Weißt du denn überhaupt, wie das geht?«, fragte Ronnie ungläubig.
    »Noch nicht.«
    Sie musste lachen. »Aber warum steht hier ein Flügel, wenn die Kirche noch so unfertig ist? Habt ihr keine Angst, dass er gestohlen wird?«
    »Eigentlich war vereinbart, dass er erst

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