Mit dir an meiner Seite
der Entstehung des neuen Lebens, beteiligt war. Wochenlang hatte sich absolut nichts geregt, und jetzt würde das, worauf sie die ganze Zeit gewartet hatte, in wenigen Minuten vorbei sein.
Und während sie neben dem jungen Mann stand, den sie liebte, wurde ihr bewusst, dass sie noch nie mit einem Menschen einen so magischen Moment erlebt hatte.
Eine Stunde später, nachdem sie ganz ergriffen alles immer wieder besprochen hatten, verabschiedeten sich Ronnie und Will von den anderen Mitarbeitern des Aquariums, die endlich nach Hause fahren wollten. Sämtlichen des Ereignisses waren verschwunden, außer dem Graben. Selbst die Eierschalen waren nicht mehr da: Todd hatte sie eingesammelt, um zu untersuchen, wie dick sie waren und ob sie irgendwelche Chemikalien enthielten.
Will und Ronnie gingen noch ein Stück den Strand entlang. Er legte ihr liebevoll den Arm um die Schulter. »Ich hoffe, deine Erwartungen wurden erfüllt.«
»Mehr als das!«, schwärmte sie. »Aber ich muss dauernd daran denken, welchen Gefahren die kleinen Schildkröten jetzt ausgesetzt sind.«
»Die schaffen das schon.«
»Nicht alle.«
»Stimmt, nicht alle. Solange sie so jung sind, haben manche von ihnen schlechte Karten.«
Schweigend gingen sie zum Haus zurück. »Das macht mich traurig.«
»Und im ewigen Kreis dreht sich unser Leben ...«
Ronnie schniefte. »Deine Philosophie aus dem
König der Löwen
kannst du dir sparen. Die will ich jetzt nicht hören. Ich möchte, dass du mir etwas vorschwindelst.«
»Ja, dann ...« Will lächelte. »Sie kommen alle miteinander durch. Alle sechsundfünfzig. Sie werden immer größer und paaren sich und machen kleine Babyschildkröten, und eines Tages, wenn sie noch viel, viel älter sind als alle anderen Schildkröten, sterben sie an Altersschwäche.«
»Glaubst du wirklich?«
»Natürlich«, bestätigte er zuversichtlich. »Sie sind doch unsere Babys. Sie sind etwas ganz Besonderes.«
Jetzt musste Ronnie trotz allem lachen. In dem Moment trat ihr Vater mit Jonah auf die hintere Veranda.
»Okay - nach dieser unglaublichen Spannung«, begann Jonah pompös, »und nachdem ich die ganze Sache von Anfang bis Ende verfolgt habe, kann ich nur eines sagen.«
»Und das wäre?«, fragte Will.
Jonah grinste breit. »DAS WAR SUPERCOOL!«
Ronnie lachte wieder. Als sie Wills verdutztes Gesicht sah, zuckte sie die Achseln. »Kleiner Privatwitz«, murmelte sie. Plötzlich begann ihr Vater zu husten.
Es war ein bellender, verschleimt klingender Husten ... und genau wie neulich in der Kirche entwickelte er sich zu einem Anfall, der nicht aufhören wollte. Immer wieder ging es los.
Dad klammerte sich kurz ans Geländer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Jonah reagierte verängstigt, und selbst Will war starr vor Schreck.
Vergeblich versuchte Steve, den Husten unter Kontrolle zu bekommen. Mit beiden Händen hielt er sich den Mund zu. Aber auch das half nichts. Wieder schüttelte ihn ein Anfall, und als er keuchend Luft holte, klang es, als würde er ertrinken.
Er röchelte und stöhnte. Dann nahm er die Hände herunter. Ronnie blieb wie angewurzelt stehen, zu Tode erschrocken. So fürchterliche Angst hatte sie noch nie im Leben gehabt.
Das Gesicht ihres Vaters war voller Blut.
Kapitel 30
Steve
Das Todesurteil hatte er im Februar erhalten, als er im Sprechzimmer des Arztes saß, nur sechzig Minuten nachdem er seine letzte Klavierstunde gegeben hatte.
Er hatte wieder angefangen zu unterrichten, nachdem er nach Wrightsville Beach gezogen war. Seine Karriere als Konzertpianist war gescheitert. Pastor Harris schickte ihm ein paar Tage nach dem Umzug eine vielversprechende Schülerin ins Haus und fragte, ob Steve ihr »einen Gefallen« tun könnte. Das war typisch für Pastor Harris: Er merkte sofort, dass Steve durch seine Rückkehr signalisierte, wie verloren und allein er sich fühlte. Und er wusste, dass man ihm am besten helfen konnte, indem man seinem Leben wieder einen Sinn verlieh.
Die Schülerin hieß Chan Lee. Ihre Eltern waren beide Musikdozenten an der University of North Carolina in Wilmington, und mit ihren siebzehn Jahren hatte sie schon eine sagenhafte Technik, aber irgendwie schaffte sie es nicht, den Tönen wirklich Leben einzuhauchen. Sie war ernst und interessant, und Steve mochte sie sofort. Sie hörte ihm aufmerksam zu und gab sich Mühe, seine Vorschläge in ihr Spiel zu integrieren. Er freute sich immer, wenn sie kam, und zu Weihnachten schenkte er ihr ein Buch
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