Mit dir an meiner Seite
Gleichzeitig war es ihm tatsächlich gelungen, die Verbindung zu seinen Kindern wiederherzustellen. Und nun, in dieser dunklen Nacht im August, schwammen winzig kleine Schildkröten auf der Wasseroberfläche, und er spuckte Blut. Es war Zeit, mit dem Lügen aufzuhören. Es war Zeit, die Wahrheit zu sagen.
Seine Kinder erschraken furchtbar. Sie wünschten sich nichts sehnlicher, als dass er etwas sagte oder tat, was sie von ihrer Angst befreite. Aber sein Magen wurde von tausend spitzen Nadeln durchbohrt. Mit dem Handrücken wischte er das Blut fort.
»Ich glaube«, sagte er mit ruhiger Stimme, »ich muss ins Krankenhaus.«
Kapitel 31
Ronnie
Ihr Vater lag in seinem Krankenhausbett am Tropf, als er ihr alles erzählte. Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. Es ist nicht wahr. Es kann nicht wahr sein!
»Nein!«, rief sie. »Das stimmt sicher nicht. Die Ärzte irren sich oft.«
»Aber nicht in meinem Fall.« Er nahm ihre Hand. »Es tut mir so leid, dass du es auf diese Art erfahren musst.«
Will und Jonah warteten unten in der Cafeteria. Steve hatte beschlossen, es den Kindern getrennt zu erzählen. Doch Ronnie sperrte sich gegen alles - sie wollte nicht, dass er weitersprach. Sie wollte kein Wort mehr hören.
Tausend Dinge gingen ihr durch den Kopf. Plötzlich begriff sie, warum ihr Vater darauf bestanden hatte, dass sie und Jonah nach North Carolina kamen. Ihr wurde auch schlagartig klar, dass ihre Mom schon die ganze Zeit Bescheid gewusst hatte. Und weil ihnen nur noch so wenig gemeinsame Zeit blieb, hatte Dad jeden Streit mit ihr vermieden. Auch seine unermüdliche Arbeit an dem Kirchenfenster verstand sie jetzt. Sie musste an den furchtbaren Hustenanfall in der Kirche denken. Und daran, dass er oft vor Schmerzen das Gesicht verzogen hatte. Im Nachhinein fügte sich alles zusammen. Und gleichzeitig fiel alles auseinander.
Ihr Vater würde nicht miterleben, wie sie heiratete. Nie würde er sein Enkelkind in den Armen halten. Der Gedanke, dass sie den Rest ihres Lebens ohne ihn verbringen musste, erschien ihr unerträglich. Das war nicht fair. Es war einfach nicht fair!
Als sie schließlich zu reden begann, war ihre Stimme ganz brüchig. »Wann wolltest du es mir sagen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Vor meiner Abreise? Oder hast du vorgehabt, es mir erst zu sagen, wenn ich wieder in New York bin?«
Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, weil er nicht antwortete. Sie durfte jetzt nicht wütend werden, das wusste sie, aber sie konnte nichts dagegen machen. »Wie bitte? Du wolltest es mir am Telefon sagen? Nach dem Motto: >Oh, entschuldige, aber ich habe ganz vergessen, dir im Sommer zu sagen, dass ich Krebs im Endstadium habe. Und was gibt's bei dir Neues?«
»Ronnie -«
»Wenn du es mir nicht sagen wolltest - wieso hast du mich dann überhaupt hierherkommen lassen? Damit ich zuschauen kann, wie du stirbst?«
»Nein, mein Schatz. Genau das Gegenteil.« Er drehte den Kopf zu ihr. »Ich habe mir gewünscht, dass du hierherkommst, damit ich sehen kann, wie du lebst.«
Bei dieser Antwort löste sich etwas in Ronnie. Es war wie die ersten Kiesel, die zu Tale kullern und eine riesige Steinlawine ankündigen. Sie hörte, dass draußen die Krankenschwestern vorbeigingen und sich mit gedämpften Stimmen unterhielten. Die Neonröhre an der Decke surrte und warf ihr bläulich blasses Licht auf die Wände. Der Tropf gab regelmäßig seine Flüssigkeit ab - normale Krankenhausszenen, aber für Ronnie hatten sie nichts Normales. Sie konnte kaum schlucken, weil ihre Kehle ausgetrocknet war. Schnell wandte sie sich ab, damit ihr Vater die Tränen nicht sah.
»Es tut mir so leid, mein Schatz«, sagte er wieder. »Ich weiß, ich hätte es dir erzählen müssen, aber ich habe mir so sehr einen normalen Sommer gewünscht, und ich wollte, dass ihr auch einen normalen Sommer verlebt. Ich hatte nur einen Wunsch: Ich wollte meine Tochter wieder kennenlernen. Kannst du mir verzeihen?«
Seine Bitte berührte ihr Herz, und sie stieß einen hilflosen Schluchzer aus, obwohl sie dagegen ankämpfte. Ihr Vater lag im Sterben, und er bat sie, ihm zu verzeihen. Das war unendlich traurig - sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Schließlich ergriff sie seine Hand.
»Natürlich verzeihe ich dir«, murmelte sie. Danach konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. Weinend legte sie den Kopf an seine Brust. Wie dünn er geworden war! Man konnte seine Rippen spüren. Bestimmt ging es ihm seit Wochen immer
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