Mit dir an meiner Seite
vermutlich war es erst Ende Juli so weit. Konnte er es bis dahin aushalten?
Müde setzte er sich an den Küchentisch und legte die Hände auf die Platte. Wenn er sich konzentrierte, müsste er es schaffen, die Musik in seinem Kopf zu hören. Beethoven hatte die Eroica schließlich komponiert, als er schon so gut wie taub war, oder? Vielleicht gelang ihm das ja auch. Er entschied sich für die Sonate, die Ronnie bei ihrem Auftritt in der Carnegie Hall gespielt hatte. Mit geschlossenen Augen versuchte er, die Klänge herbeizurufen. Zuerst waren sie nur leise zu hören, als er begann, die Finger zu bewegen. Aber nach und nach wurden die Sequenzen und Akkorde deutlicher, und obwohl es nicht ganz so befriedigend war, wie wenn er richtig Klavier spielte, vermochte er sich doch für den Moment damit zufriedengeben. Es blieb ihm ja nichts anderes übrig.
Während noch die letzten Takte der Sonate in seinem Kopf nachhallten, öffnete er langsam die Augen und blickte sich in der halbdunklen Küche um. In wenigen Minuten würde die Sonne über den Horizont steigen. Aus irgendeinem Grund hörte er jetzt einen einzigen Ton, ein b, das noch lange in der Luft schwebte und ihm zuwinkte. Klar, er hatte sich das alles nur eingebildet, aber dieser Ton wollte nicht verklingen. Steve suchte nach Papier und einem Stift.
Schnell zeichnete er Notenlinien auf einen Zettel und trug den Ton ein, ehe er mit dem Finger wieder auf den Tisch drückte. Erneut hörte er das b, aber dieses Mal folgten noch andere Noten. Wie in Trance schrieb er alles nieder.
Er hatte schon sein ganzes Leben komponiert, aber seine Kompositionen hatte er immer als Bagatellen betrachtet im Vergleich zu den gigantischen Werken, die er normalerweise spielte. Auch der Einfall jetzt führte vielleicht nicht weit, aber er spürte, dass er weitermachen wollte. Wie wäre es, wenn es ihm gelänge, etwas ... Geniales zu schreiben? Etwas, das in Erinnerung bleiben würde?
Er hatte schon in der Vergangenheit solche Versuche unternommen und immer Schiffbruch erlitten. Zweifellos würde er auch jetzt wieder scheitern. Trotzdem hatte er bei dem, was er schrieb, ein gutes Gefühl. Aus nichts etwas zu schaffen war herrlich. Das Thema war noch nicht sehr weit gediehen - nach langen Mühen war er zu den Anfangsnoten zurückgekehrt und hatte beschlossen, noch einmal von vorn zu beginnen -, aber trotzdem empfand er eine gewisse Befriedigung.
Als die Sonne über die Dünen kletterte, fiel Steve wieder ein, worüber er am Abend nachgedacht hatte. Deshalb beschloss er, einen Strandspaziergang zu machen. Er wollte gern mit dem gleichen friedlichen Gesichtsausdruck zurückkehren wie Pastor Harris, doch während er durch den Sand trottete, fühlte er sich wie ein Amateur, jemand, der nach Gottes Wahrheit sucht wie ein Kind nach Muscheln.
Wie schön wäre es gewesen, wenn er einen eindeutigen Beweis für seine Existenz gefunden hätte! Doch das gelang ihm nicht, und er versuchte stattdessen, sich der Welt zu widmen, die ihn umgab: Da war die Sonne, das Morgenlied der Vögel, der Dunst über dem Wasser. Er wollte diese Schönheit in sich aufnehmen, ohne sie bewusst zu reflektieren, er wollte den Sand unter den Füßen fühlen und die frische Brise, die seine Wangen streichelte.
Was war es, fragte er sich zum hundertsten Mal, das Pastor Harris befähigte, in seinem Herzen die Antworten zu hören? Was meinte er, wenn er sagte, er fühle Gottes Gegenwart? Natürlich könnte er den Pastor direkt fragen, aber das würde aller Voraussicht nach nicht viel bringen. Wie sollte jemand so etwas erklären? Es wäre so ähnlich, wie wenn man versuchte, einem Menschen, der von Geburt an blind war, die Farben zu beschreiben. Die Wörter waren vielleicht verständlich, aber das Konzept blieb rätselhaft und unzugänglich.
Komisch, dass ihn solche Probleme beschäftigten. Bis vor Kurzem hatten ihn all diese Fragen nicht weiter interessiert. Wahrscheinlich hatten ihn seine täglichen Verpflichtungen dermaßen auf Trab gehalten, dass er den Fragen ausweichen konnte - bis er nach Wrightsville Beach zurückkehrte. Hier war der Lebensrhythmus langsamer, die Zeit verging nicht so schnell. Beim Weitergehen dachte er über die schicksalhafte Entscheidung nach, als er beschloss, Konzertpianist zu werden. Sicher, er hatte sich schon lange überlegt, ob er sich wohl würde durchsetzen können. Und er hatte das Gefühl gehabt, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Aber wodurch hatten diese Gedanken plötzlich
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