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Mit dir an meiner Seite

Mit dir an meiner Seite

Titel: Mit dir an meiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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Schüler am Klavier und hörte sich an, wie dieser von den Auseinandersetzungen mit seinen Eltern erzählte - dass seine Mutter versuchte, seine Freundin zu sein, während sein Vater ihn kontrollieren wollte. Auch die anderen Dozenten in seiner Abteilung bemerkten, dass es ihm sehr leichtfiel, einen guten Kontakt zu seinen Schülern und Studenten aufzubauen. Und wenn diese dann ihren Abschluss machten, entdeckte Steve oft zu seiner großen Überraschung, dass sie selbst es genauso sahen. Er wusste nicht, weshalb das so war. Meistens hörte er ja nur schweigend zu, oder er versuchte, ihre Fragestellungen umzuformulieren. Das brachte die Schüler dazu, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen, und Steve vertraute darauf, dass sie zu den richtigen Ergebnissen kamen. Wenn er das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen, gab er meistens ganz allgemeine Kommentare von sich, wie ein typischer Hobbypsychologe. »Natürlich will deine Mom deine Freundin sein«, sagte er beispielsweise. »Sie sieht dich inzwischen fast schon als einen erwachsenen jungen Mann, den sie gern kennenlernen möchte.« Oder: »Dein Dad weiß, dass er im Leben viele Fehler gemacht hat, und er möchte nicht, dass du die gleichen Fehler machst.« Durchschnittliche Gedanken eines durchschnittlichen Mannes, aber zu seiner Verblüffung drehten sich die Studenten manchmal schweigend zum Fenster, als wollten sie eine tiefschürfende Einsicht auf sich wirken lassen. Es konnte sogar vorkommen, dass die Eltern des Schülers ihn später anriefen und sich bei ihm bedankten, dass er mit ihrem Sohn gesprochen hatte - der Junge sei viel besserer Laune. Wenn er dann auflegte, versuchte er, sich daran zu erinnern, was er genau gesagt hatte. Hoffentlich etwas Sinnvolles! Aber meistens fiel es ihm nicht wieder ein.
    Im Haus war jetzt alles still. Steve hörte, wie Jonahs Atemzüge immer regelmäßiger wurden. Sein Sohn war eingeschlafen. Die Sonne und die frische Luft waren wesentlich anstrengender als ein Tag in Manhattan. Und was Ronnie betraf - er freute sich, dass der Schlaf die Strapazen der letzten Tage vorübergehend auslöschte. Ihre Züge waren heiter und fast engelsgleich, und irgendwie erinnerte sie ihn an Pastor Harris nach seinen Spaziergängen am Strand. Steve betrachtete seine Tochter versonnen, und wieder einmal sehnte er sich nach einem Beweis für Gottes Gegenwart. Vielleicht fuhr Ronnie schon morgen früh wieder fort! Als ihm das einfiel, trat er vorsichtig ein bisschen näher. Das Mondlicht flutete durchs Fenster, und leise hörte er das stetige Rauschen des Ozeans. Am Himmel glitzerten die Sterne und schickten ihre Botschaft in die Welt, als würde Gott seine Anwesenheit anderswo verkünden. Plötzlich war Steve sehr müde. Ich hin allein, dachte er, ich werde immer allein sein. Er beugte sich über Ronnie und küsste sie zart auf die Wange. Wieder spürte er diese tiefe Liebe zu ihr, ein Glücksgefühl, das so stark war, dass es schmerzte.
     
    Als er aufwachte, ahnte man schon die Dämmerung, und sein erster Gedanke - oder eigentlich war es eher ein Gefühl - war, wie sehr er das Klavierspielen vermisste. Kurz zuckte er zusammen, als er wie so oft in letzter Zeit dieses Stechen in der Magengegend fühlte. Am liebsten wäre er aufgestanden und ins Wohnzimmer gegangen, um sich dort in seiner Musik zu verlieren.
    Wann konnte er wohl wieder Klavier spielen? Er bedauerte es, dass er hier keine Freundschaften geschlossen hatte. Seit der Flügel hinter den Sperrholzplatten versteckt war, kam ihm immer wieder der Gedanke, wie praktisch es wäre, wenn er einen Freund fragen könnte, ob er auf dessen selten benutztem Klavier spielen dürfe, auf dem Klavier, das sein imaginärer Freund nur als eine Dekoration im Wohnzimmer stehen hatte. Er sah die Szene richtig vor sich, wie er sich auf die etwas staubige Bank setzte, während der Freund ihn von der Küche oder vom Flur aus beobachtete, und plötzlich begann er ein Stück zu spielen, das diesen Freund zu Tränen rührte, etwas, was ihm während der langen Monate seiner Tourneen nie gelungen war.
    Er wusste, diese Fantasievorstellung war lächerlich, aber ohne Musik fühlte er sich ziellos und verloren. Er stand auf und versuchte, die dunklen Gedanken zu vertreiben. Pastor Harris hatte ihm gesagt, dass für die Kirche ein neuer Flügel bestellt worden war, der demnächst geliefert werden sollte, ein Geschenk von einem Gemeindemitglied. Und auf diesem Flügel durfte Steve dann uneingeschränkt spielen. Aber

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